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Schattenpferd

Titel: Schattenpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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die Stirn und ging mit dem Pferd weiter auf den Stall zu.
    Ich bückte mich, wie um Molly einen Kuss auf die Wange zu geben, und flüsterte ihr ins Ohr: »Ruf neun-eins-eins an.«
    Sie drehte sich um und rannte zum Haupthaus. Van Zandt schaute über die Schulter und sah ihr nach.
    »Ist sie nicht süß?«, fragte ich.
    Er antwortete nicht.
    Wir gingen in den Stall, und Van Zandt führte D’Artagnon in die Pflegebox, nahm ihm das Zaumzeug ab und legte ihm das Halfter um. Ich ging auf die andere Seite des Pferdes, hockte mich hin, um eine seiner Gamaschen abzuschnallen, blieb auf dem Sprung und behielt Van Zandt im Auge.
    »Sie schulden mir ein Essen«, sagte ich.
    »Sie schulden mir die Bezahlung einer Reitstunde.«
    »Also sind wir quitt?«
    »Ich glaube nicht«, gab er zurück. »Ich glaube, ich bin noch nicht damit fertig, Sie zu erziehen, Elle Stevens.«
    Er kam vorne um das Pferd herum. Ich huschte hinter dem Pferd auf die andere Seite und bückte mich nach der nächsten Gamasche.
    »Doch, das sind Sie.«
    »Es gibt viele Arten von Lektionen«, verkündete er düster.
    »Ich brauche keinen Mentor. Trotzdem, vielen Dank.«
    Ich ging zu dem Schrank mit den Putzsachen und griff heimlich nach einer Schere. Wenn er eine falsche Bewegung machte, würde ich ihm ohne zu zögern das Ding reinrammen.
    Vielleicht sollte ich ihn auch so erstechen, dachte ich – Angriff ist die beste Verteidigung. Er war ein Mörder. Warum das Risiko eingehen, dass er mir etwas antat, Molly etwas antat? Ich konnte nahe an ihn rantreten, ihm die Schere am Nabel bis zum Anschlag in den Bauch stechen. Er würde verbluten, bevor er mehr tun konnte als zu erkennen, dass ich ihn umgebracht hatte.
    Ich würde mich auf Selbstverteidigung berufen. Der Anruf bei 911 würde beweisen, dass ich mich bedroht gefühlt hatte. Van Zandt war dem Büro des Sheriffs bereits als Verdächtiger in einem Mordfall bekannt.
    Ich konnte meinen Vater bitten, mich zu verteidigen. Die Presse würde sich mit Wonne darauf stürzen. Vater und verlorene Tochter wiedervereint, während er darum kämpft, sie vor der Todeszelle zu retten.
    Ich hatte nie absichtlich ein Leben ausgelöscht. Ob ich wohl Reue empfinden würde, nach allem, was ich über Van Zandt wusste?
    »Wir hätten ein gutes Team abgeben können, Sie und ich«, sagte er.
    Er kam um die Vorderseite des Pferdes auf mich zu. Ich umklammerte die Schere fester.
    Meine Arme zitterten vor Erschöpfung und Nervosität. Ich fragte mich, ob ich die Kraft haben würde, ihm die Schere in den Körper zu stoßen.
    »Das klingt ja, als würde ich Sie nie wieder sehen. Gehen Sie fort?«, fragte ich.
    Er hatte immer noch die Sonnenbrille auf. Seine Augen konnte ich nicht sehen. Auch sein Gesicht war nach wie vor ausdruckslos. Ich glaubte nicht, dass er mich hier und jetzt töten würde. Selbst wenn er bereit war, auch Molly umzubringen, konnte er nicht genau wissen, ob Sean nicht doch im Haus war.
    »Ich gehe nirgendwo hin«, sagte er und kam näher.
    »Tomas!« Seans Stimme ertönte aus dem Gang. Erleichterung schwappte über mich hinweg wie eine Flutwelle und nahm alle Kraft mit. »Ich dachte, Sie würden nie wieder kommen! Heute hat aber doch niemand versucht, Sie zu verletzen, oder?«
    »Nur seinen Stolz«, gab ich zurück, lehnte mich gegen den Schrank, ließ die Schere hineingleiten. »Ich habe ihm das Vergnügen genommen, mein Trainer zu werden.«
    »Oh, mein Gott!« Sean lachte. »Warum hätten Sie den Job haben wollen? Den Letzten hat sie in Stücke zerlegt und mit Spaghettisoße und Favabohnen serviert, dazu einen guten Chianti.«
    »Sie muss gezähmt werden.« Van Zandt hatte sein dünnes Lächeln wiedergefunden.
    »Und ich müsste wieder zwanzig sein, aber auch das wird nie passieren«, entgegnete Sean und kam zu mir. Er küsste mich auf die Wange und drückte beruhigend meinen Arm. »Liebling, Molly wartet ungeduldig auf dich. Geh du ruhig schon mal vor. Ich kümmere mich um D’Artagnon.«
    »Aber ich weiß, dass du auch weg musst«, erinnerte ich ihn. »Du hast doch heute Mittag dieses Essen, oder?«
    »Ja.« Er warf Van Zandt einen entschuldigenden Blick zu. »Reiter gegen Rheuma oder so ein ähnlich guter Zweck. Tut mir Leid, Sie so rauswerfen zu müssen, Tomas. Rufen Sie mich doch morgen an. Vielleicht können wir zusammen essen oder so. Oder wir könnten alle zusammen ausgehen, wenn Ihre Kundin aus Virginia schon da ist.«
    »Natürlich, ja«, sagte Van Zandt.
    Er trat zu mir, legte mir die Hände auf die

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