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Schattenpferd

Titel: Schattenpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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Arbeitszeit bei der Aufdeckung von Taschendiebstählen draufgehen, wenn Sie ein paar Anrufe machen, ein paar Hintergrundüberprüfungen, ein paar Fragen stellen …«
    Landry stand jetzt auch. Unter der Bräune war sein Gesicht rot angelaufen. Die ganze Einsatzzentrale beobachtete uns. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass einer der Sergeants aus seinem Büro gekommen war und ebenfalls zu uns rüberschaute. Im Hintergrund klingelte ständig ein Telefon.
    »Wollen Sie mir sagen, wie ich meine Arbeit zu machen habe, Estes?«
    »Ich kenne Ihre Arbeit aus eigener Erfahrung. So schwer ist das nicht.«
    »Ach ja? Also, ich sehe Sie hier nicht mehr arbeiten. Wie kommt das?«
    Ein halbes Dutzend überzeugende Antworten gingen mir durch den Kopf. Ich gab keine davon. Nur eine Antwort zählte – für die Menschen hier im Raum und für mich. Ich arbeitete hier nicht mehr, weil ich am Tod eines der Unseren – eines der Ihren – schuld war. Nichts konnte das übertreffen.
    Schließlich nickte ich. »Na gut. Sie haben gewonnen«, sagte ich leise. »Der Preis für den billigen Schuss des Tages geht an Landry. Ich hab mir schon gedacht, dass Sie ein Riesenarschloch sind, und ich hab Recht behalten. Aber Erin Seabright wird vermisst, und jemand muss sich darum kümmern. Wenn ich diejenige sein muss, dann bitte. Doch wenn das Mädchen am Ende tot ist, weil ich sie nicht schnell genug finden konnte und Sie das hätten tun können, dann haben Sie das auf dem Gewissen, Landry.«
    »Gibt’s hier ein Problem?«, fragte der Sergeant und kam näher. »O ja«, sagte er, blieb vor mir stehen. »Ich sehe schon. Sie haben vielleicht Nerven, hier reinzukommen, Estes.«
    »Tut mir Leid. Ich wusste nicht, dass man zur Verbrechensbekämpfung eine Einladung braucht. Meine muss in der Post verloren gegangen sein.«
    Der Weg zum Ausgang schien immer länger zu werden, während ich darauf zuging. Meine Beine waren wie aus Wasser. Meine Hände zitterten. Ich verließ die Einsatzzentrale, wankte den Flur entlang und auf die Damentoilette, wo ich mich über die Kloschüssel beugte und kotzte.
    Eine ganze Weile lang lehnte ich mich an die Kabinenwand, schloss die Augen, die Hände vor meinem Gesicht. Mir war heiß, ich schwitzte und atmete schwer. Erschöpfung. Aber ich lebte noch, buchstäblich und metaphorisch. Ich hatte mich in die Höhle des Löwen gewagt und überlebt. Eigentlich hätte ich stolz auf mich sein sollen.
    Ich richtete mich auf, verließ die Kabine, wusch mir das Gesicht und spülte meinen Mund mit Leitungswasser aus. Gleichzeitig versuchte ich, mich auf meinen kleinen Sieg zu konzentrieren. James Landry würde nicht in der Lage sein, Erin Seabright heute Abend so leicht aus dem Kopf zu bekommen, und sei es auch nur deshalb, weil ich ihn herausgefordert hatte. Wenn die Konfrontation mit ihm nur zu einem einzigen Telefonat führte, das einen Hinweis ergab, war es die Mühe und auch das wert, was es mich emotional gekostet hatte.
    Als ich zu meinem Wagen ging, fragte ich mich, ob ich etwa Entschlusskraft entwickelte. Es war so lange her, dass ich die besessen hatte, und ich konnte mir nicht ganz sicher sein.
    Ich stieg in den BMW und wartete. Als ich mich gerade damit abfand, dass Landry gegangen sein musste, während ich über dem Lebensretter aus Porzellan gehangen hatte, kam Landry aus dem Gebäude, die Augen hinter einer Sonnenbrille verborgen, einen Sportmantel über dem Arm. Er bestieg einen silberfarbenen Pontiac und fuhr vom Parkplatz. Zwei Autos hinter ihm fädelte ich mich in den Verkehr ein, wollte wissen, mit wem ich es zu tun hatte. Fuhr er sofort nach Hause zu Frau und Kindern? Konnte ich ihn mit elterlicher Sorge kriegen? Er trug keinen Ring.
    Er fuhr auf direktem Weg in eine Polizistenkneipe am Military Trail. Enttäuschend vorhersehbar. Ich folgte ihm nicht hinein, weil ich wusste, dass man mich vermutlich mit offener Feindseligkeit empfangen würde. Hier ließen die einfachen Polizisten Dampf ab, beschwerten sich über ihre Vorgesetzten, über Zivilisten, über ihre Exfrauen. Landry würde sich über mich beschweren. Das war in Ordnung. Mir war es egal, was James Landry von mir hielt … solange der Gedanke an mich ihn ebenfalls an Erin Seabright denken ließ.

8
    Im Gegensatz zu mir genoss Sean es immer noch, seine korrekte Palm-Beach-Familie durch gelegentliches Auftauchen auf Wohltätigkeitsbällen in Verlegenheit zu bringen, Bällen, die das Leben der Gesellschaft von Palm Beach während der Wintersaison prägten. Die

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