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Schattenpferd

Titel: Schattenpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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haben es gesehen?«
    Sie nickte.
    »Was haben sie gemacht?«
    Die Tränen rollten unter der Brille hervor und über ihre Wangen. Sie sprach mit ganz, ganz kleiner Stimme. »Nichts.«
    »Sie haben nicht die Polizei angerufen?«
    »Bruce sagte, er würde sich darum kümmern. Dann hat er Mom ins Bett geschickt.« Ungläubig schüttelte sie den Kopf. Ich sah, wie Wut in ihr hochstieg und Farbe in ihr Gesicht brachte. »Und er ist mit dem Auto weggefahren, um einen klaren Kopf zu bekommen, weil er einen fürchterlichen Tag hatte! Ich hasse ihn!« Sie weinte, schlug mit der kleinen Faust auf den Tisch. »Ich hasse ihn! Er wird nichts unternehmen, weil er Erin nicht zurückhaben will! Erin wird wegen ihm sterben!«
    Die Tränen flossen immer stärker, und Molly ließ sich gegen mich fallen, schlang ihre Arme um meinen Hals.
    Ich war noch nie gut darin gewesen, Menschen zu trösten. Wahrscheinlich, weil es mir nicht beigebracht worden war. Oder ich hatte meinen persönlichen Schmerz immer so tief in mir vergraben, dass ich niemanden an ihn ranließ. Aber Mollys Schmerz war überwältigend, und sie ließ mir keine andere Wahl, als ihn mit ihr zu teilen. Ich schloss sie in die Arme und streichelte über ihr Haar.
    »Das hat er nicht allein zu entscheiden, Molly«, sagte ich. »Du hast ja mich.«
    In dem Moment empfand ich echte Furcht. Das war kein Fall mehr, den ich nicht wollte, mit einem vermutlichen Ende ohne große Konsequenz. Es ging nicht mehr darum, einfach eine Aufgabe zu erfüllen. Zwischen mir und diesem Kind in meinen Armen bestand eine Verbindung. Ich hatte eine Verpflichtung übernommen. Ich, die nichts anderes wollte, als mich mit meinem Elend zu verkriechen, bis ich die Nerven fand, es zu beenden.
    Ich drückte sie fester an mich, nicht ihretwegen, sondern meinetwegen.
     
    Ich machte eine Kopie des Videobandes, dann luden wir Mollys Fahrrad in meinen Kofferraum und fuhren nach Binks Forest. Es war fast Mitternacht.

17
    Jill schloss die Tür zu Jades Sattelkammer auf und knipste eine kleine Lampe an, die auf einer antiken Kommode stand. Sie nahm eine Flasche Lederöl vom Regal, drehte die Kappe ab, öffnete die oberste Schublade mit Jades Reithosen und goss Öl darüber. Aus Katalogen wusste sie, dass diese Hosen mindestens zweihundert Dollar das Stück kosteten. Sie riss den Schrank auf, holte seine beiden maßgeschneiderten Jacketts heraus, tränkte auch die mit Öl und tat dasselbe mit seinen frisch gebügelten, maßgeschneiderten Hemden.
    Das war ihr noch nicht genug. Sie wollte noch mehr Befriedigung.
    Sie hätte am Ende des Arbeitstages die Boxen ausmisten sollen, weil Javier, der Guatemalteke, früher gehen musste. Aber Jill gabelte nicht gerne Dung auf, daher hatte sie einfach nur die Streu aufgeschüttelt und den Pferdemist damit abgedeckt. Mit verächtlichem Kichern ging sie jetzt zur ersten Box und holte Trey Hughes’ Grauen heraus. Sie brachte ihn in der leeren Box unter, wo Stellar gestanden hatte, ging dann mit einer Mistgabel in die Box des Grauen und deckte die Dunghaufen und die vom Urin feuchten Stellen auf. Der Ammoniakgestank brannte ihr in der Nase, und sie lächelte hämisch.
    Nachdem sie die Mistgabel beiseite gestellt hatte, lief sie zurück in die Sattelkammer und holte die mit Öl getränkten Sachen.
    Jade würde einen Anfall kriegen, wenn er das hier fand. Er würde wissen, dass sie es getan hatte, würde aber nichts beweisen können. Und er musste am Morgen auf den Parcours. Er würde nichts zum Anziehen haben. Die Pferde wären nicht bereit. Und Jill würde am Strand liegen, sich bräunen lassen und nach einem heißen Typ Ausschau halten.
    Sie verteilte die Kleidungsstücke in der Box, auf den Dunghaufen und Urinstellen, stapfte dann durch die Box, trampelte auf Don Jades teuren Klamotten herum, trat sie immer tiefer in den Dreck. Das würde ihn lehren, Menschen nicht wie Dienstboten zu behandeln. Er konnte sie nicht demütigen und damit durchkommen. Dieses Arschloch. Es würde ihm noch Leid tun, was er mit ihr gemacht hatte. Sie hätte seine Verbündete sein können, seine Spionin. Aber stattdessen konnte er zum Teufel gehen.
    »Du kannst mich mal, Don Jade. Du kannst mich mal, Don Jade.« Sie sang die Sätze vor sich hin, während sie im Kreis marschierte.
    Sie hatte keine Angst, von Jade erwischt zu werden. Der war in diesem protzigen Club und versuchte, irgendwelche Kunden oder Frauen zu beeindrucken. Paris war eigentlich mit dem Nachtcheck dran, aber Jill wusste genau, dass

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