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Schattenpferd

Titel: Schattenpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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weggeworfen.«
    »Dann ist er in Ihrem Müll. Suchen wir ihn. Auf dem Umschlag könnten Fingerabdrücke sein, und die Briefmarke könnte wertvolle Informationen liefern.«
    »Er ist weg.«
    »Weg? Ihr Müll ist erst gestern abgeholt worden. Wenn das Band heute gekommen ist …«
    Darauf wusste er keine Antwort, der Dreckskerl. Ich seufzte angewidert und versuchte es erneut.
    »Haben die Entführer angerufen?«
    »Nein.«
    »Gott helfe Ihnen, wenn Sie lügen, Seabright.«
    Sein Gesicht lief rot an. »Wie können Sie es wagen, mich einen Lügner zu nennen?«
    »Weil du einer bist.«
    Wir drehten uns beide zur Tür um, in der Krystal stand und wie eine alternde Crackhure aussah. Ihr Gesicht war verhärmt und blass. Wimperntusche hatte schwarze Ringe unter ihren Augen gebildet. Ihr gebleichtes Haar stand nach allen Seiten ab wie eine zerrupfte Perücke. Sie trug einen kurzen rosafarbenen Morgenmantel mit Federbesatz an Kragen und Ärmeln, dazu passende hochhackige Pantoffeln.
    »Du bist ein Lügner«, sagte sie, die glasigen Augen auf ihren Mann gerichtet.
    »Und du bist betrunken«, warf Bruce ihr vor.
    »Offensichtlich. Sonst würde ich nicht wagen, so mit dir zu sprechen.«
    Ich beobachtete Seabright. Er war zornig, zitterte vor Wut. Wenn ich nicht da gewesen wäre, wüsste ich nicht, was er ihr vielleicht angetan hätte. Aber andererseits hätte Krystal ohne meine Anwesenheit nie den Nerv gehabt, irgendwas zu sagen. Ich wandte mich ihr zu, sah ihre erweiterten Pupillen und den verschmierten Lippenstift.
    »Wann haben Sie das Band von der Entführung Ihrer Tochter zum ersten Mal gesehen, Mrs. Seabright?«
    »Ich hab die Schachtel gesehen. Mein Name stand drauf. Ich wusste nicht, warum Bruce sie mir nicht gegeben hatte. Ich dachte, es sei was, das ich per Post bestellt hatte.«
    »Krystal …«, knurrte Bruce.
    »An welchem Tag war das?«
    Ihr Mund zitterte. »Mittwoch.«
    Vor zwei Tagen.
    »Ich fand es unnötig, dich damit zu belasten«, sagte Seabright. »Schau dich doch an. Schau, was es mit dir gemacht hat.«
    »Ich habe es heute gefunden«, fuhr sie fort, zu mir gewandt. »Meine Tochter ist entführt worden. Bruce war der Meinung, ich sollte es nicht erfahren.«
    »Ich hab dir gesagt, dass ich mich darum kümmere, Krystal«, zischte er mit zusammengebissenen Zähnen.
    Krystal schaute mich an, tragisch, Mitleid erregend, vollkommen verängstigt. »In unserer Familie überlassen wir die Entscheidungen derjenigen Person, die am besten dazu geeignet ist.«
    Ich warf Bruce Seabright einen finsteren Blick zu. Er schwitzte. Er wusste, dass er eine Frau wie Krystal einschüchtern konnte, aber bei mir gelang ihm das nicht.
    »Ich frage Sie zum letzten Mal, Mr. Seabright. Und bevor Sie antworten, sollten Sie wissen, dass das Büro des Sheriffs Ihre Gesprächsaufzeichnungen von der Telefongesellschaft anfordern und überprüfen kann. Haben die Entführer angerufen?«
    Er legte die Hände auf die Hüften und sah zur Decke hinauf, wog das Pro und Kontra des Ableugnens ab. Er war nicht der Typ, sich Polizisten offen zu widersetzen. Wenn er mir wegen der Telefonaufzeichnungen glaubte und daran dachte, was beim Eingreifen des Sheriffbüros passieren würde … sein Bild in der Öffentlichkeit könnte beschädigt werden … Ich hielt den Atem an.
    »Gestern Abend.«
    Ein merkwürdiger Schmerzenslaut entfuhr Krystal Seabright, und sie krümmte sich über der Lehne eines breiten Ledersessels zusammen, als sei sie angeschossen worden.
    Seabright plusterte sich auf wie eine wütende Taube, während er versuchte, sein Verhalten zu rechtfertigen. »Erstens mal glaube ich, dass die ganze Sache ein Trick ist. Damit will Erin mich bloß demütigen –«
    »Für heute hab ich die Schnauze voll von Männern und ihrem Verfolgungswahn«, unterbrach ich ihn. »Ihren will ich gar nicht hören. Ich hab das Band gesehen. Ich weiß, mit welchen Leuten Erin zu tun hatte. Ich würde ihr Leben nicht gegen Ihre Furcht vor Peinlichkeiten verwetten wollen. Wer hat angerufen? Ein Mann? Eine Frau?«
    »Es klang wie die Stimme auf dem Video«, erwiderte er ungeduldig. »Verzerrt.«
    »Was hat die Stimme gesagt?«
    Er wollte nicht antworten. Sein Mund zog sich zu dem pissigen kleinen Knoten zusammen, den ich ihm am liebsten aus dem Gesicht geschlagen hätte.
    »Warum sollte ich Ihnen das sagen?«, fragte er. »Ich weiß nichts über Sie. Ich weiß nicht, für wen Sie arbeiten. Vielleicht sind Sie ja sogar eine von denen.«
    »Gott im Himmel, sag es ihr!«,

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