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Schattenpferd

Titel: Schattenpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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Ihrem Geschwätz.«
    »Vielleicht ist sie entführt worden«, sagte ich, tat ganz aufgeregt, beobachtete ihn aufmerksam. »Vielleicht wird sie als Sexsklavin festgehalten. Was halten Sie davon?«
    Van Zandt starrte mich mit leerem Gesicht an. Ich hätte ein Vermögen dafür bezahlt, zu erfahren, was momentan in seinem Hirn vorging. Welche Bilder hatte er im Kopf? Dachte er an Erin, irgendwo für seine eigenen perversen Gelüste versteckt, bevor er das Geld kassierte? Erinnerte er sich an Sascha Kulak? Betrachtete er mich als sein nächstes Opfer?
    Sein Handy klingelte. Er holte es aus der Tasche und begann sich in fließendem Französisch zu unterhalten. Ich nuckelte an meinem Milchshake und belauschte das Gespräch.
    Europäer gehen von der meist korrekten Annahme aus, dass Amerikaner kaum ihre eigene Sprache beherrschen, geschweige denn eine andere. Van Zandt rechnete nicht im Geringsten damit, dass ich eine teure Schulbildung gehabt hatte und dazu ein Talent für Sprachen. Aus dem, was ich von seiner Seite des Gesprächs mitbekam, betrog Van Zandt jemanden bei einem Verkauf und war sauer, dass der Käufer dabei nicht mitspielen wollte. Er beauftragte die Person am anderen Ende der Leitung, anzurufen und zu sagen, der Transport des Pferdes in die Staaten sei abgeblasen. Das würde sie lehren, dass sie V nicht übers Ohr hauen konnten.
    Das Gespräch wandte sich dann Vereinbarungen über den Transport mehrerer Pferde von Brüssel über New York nach Florida zu, und den Rücktransport von zwei anderen Pferden nach Brüssel.
    Das Pferdegeschäft ist eine große Sache in Europa. Als Teenager war ich mal von Deutschland mit einem neuen Pferd nach Hause zurückgeflogen, in einem Frachtflugzeug mit einundzwanzig Pferden, die an neue Besitzer in den Staaten gingen. Flugzeuge wie dieses landeten jede Woche.
    Van Zandt beendete das Gespräch und steckte das Handy wieder in die Tasche. »Mein Transportagent Phillippe«, erklärte er. »Ein verdammter Gauner.«
    »Warum sagen Sie das?«
    »Weil es stimmt. Dauernd will er, dass ich ihm was in den Staaten besorge. Es in die Pferdeausrüstung verpacke und mit den Pferden verschicke. Ich mach das ständig«, gestand er unbekümmert. »Das Zeug wird nie durchsucht.«
    »Und Sie sind wütend, weil er den Zoll hintergeht?«
    »Reden Sie doch keinen Schwachsinn. Wer bezahlt denn Zoll? Nur Idioten. Ich bin wütend, weil er mich nie bezahlt. Ralph-Lauren-Handtücher für fünfhundert Dollar, die er mir immer noch schuldig ist. Wer kann denn so jemand vertrauen?«
    Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Gut möglich, dass ich hier mit einem Seriensextäter, einem Entführer, einem Mörder stand, und seine größte Sorge war, dass er um fünfhundert Mäuse für geschmuggelte Handtücher betrogen wurde.
    Ich befreite mich von ihm, als ein anderer Pferdehändler vorbeikam und die beiden über Geschäfte zu reden begannen. Mit einem kleine Winken und dem Versprechen, ich würde mich auf die Suche nach dem Sinn meines Lebens machen, huschte ich davon.
    Zum Rüstzeug eines Soziopathen gehört die Fähigkeit, normale Menschen einzuschätzen, um ihre Schwächen zu erkennen und sie zu seinem Vorteil auszunutzen. Viele Vorstandsvorsitzende gelangten durch diese Fertigkeiten in die Rangliste der »Reichsten Fünfhundert«, viele Trickbetrüger füllten sich damit ihre Taschen. Viele Serienmörder fanden so ihre Opfer …
    Van Zandt war nicht clever, aber er war gerissen. Mit dieser Gerissenheit hatte er Irinas Freundin nach Belgien gelockt. Ich fragte mich, wie er diesen Instinkt bei Erin angewandt hatte, bei Jill. Es passte mir nicht, dass er es bei mir ebenfalls versucht hatte – mit der Bemerkung, er glaube nicht, dass ich glücklich sei. Ich hatte ihm die unbekümmerte Dilettantin vorzuspielen. Es gefiel mir nicht, dass er vielleicht noch etwas anderes erkennen konnte. Ich mochte den Gedanken nicht, dass jemand in mich hineinschauen konnte, weil es mir peinlich war, dass es da nur so wenig zu sehen gab.
    Doch in einer Sache täuschte er sich. Ich hatte ein Ziel. Und falls er auf dem Weg zu diesem Ziel ins Fadenkreuz geriet, würde ich ihn mit größter Befriedigung auslöschen.
    Ich ging zu Fuß zu Jades Zelt zurück. Gelbes Tatortband versperrte die Boxen von beiden Seiten des Ganges. Trotz der auf das Band aufgedruckten Warnung war Trey Hughes drübergestiegen und saß auf einem Stuhl, die Füße auf eine Sattelkiste gelegt, ein Bier in der einen und eine Zigarette in der anderen

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