Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
erwartete: dass er sie fortbrachte, weit weg vom heruntergewirtschafteten Köhlerhof und ihrem stets betrunkenen Vater. Je länger er darüber nachdachte, desto weniger sicher war er sich, ob Ela nicht doch wusste, wem sie da geholfen hatte. Der Mann kam aus der Fremde, er würde auch wieder dorthin zurückkehren, wenn seine schmutzige Arbeit erledigt war. Hatte er ihr versprochen, sie mitzunehmen? Aber warum hatte der Schatten ihre Hilfe überhaupt gesucht? Warum brauchte er jemanden, der ihm in die Stadt half, wenn er doch auch auf anderen Wegen leicht hineingelangen konnte, wie sein Besuch auf dem Dach der Burg bewiesen hatte? Aggi beförderte verärgert einen Stein mit einem Tritt zur Seite. Eine Verschwörung? Unter Beteiligung von Ela und Heiram Grams? Das war Unsinn, der Köhler war viel zu oft betrunken, um für so etwas in Frage zu kommen. Und auch deshalb hatte Aggi darauf verzichtet, Soldaten zur Köhlerhütte zu schicken, wie Fals es befohlen hatte.
Unter den Soldaten gab es viele, die dem Köhler übel nahmen, dass er den Hauptmann seinerzeit angeklagt hatte, denn sie glaubten, er habe damit dem Ruf und der Karriere von Fals, der nach eigenem Gefühl längst hätte Obrist sein müssen, empfindlich geschadet. Leutnant Aggi wusste, dass es in Atgath zu Friedenszeiten noch nie einen Obristen gegeben hatte – denn schließlich wollte so ein Mann auch besser bezahlt werden als ein Hauptmann, und Geld war in Atgath eigentlich immer knapp. Aber für diesen Groll konnten Ela und ihre Brüder doch nichts. Nein, er würde die Köhlerfamilie so lange wie möglich heraushalten, aber Ela war zur Befragung bei Meister Hamoch, und wenn er ihr helfen wollte – und das wollte er, auch wenn sie seine Zuneigung zurückgewiesen hatte –, dann musste er herausfinden, was hinter diesen Vorfällen steckte. Der Schatten auf dem Dach, der Schatten im Schwarzen Henker, der tote Verwalter, Ela Grams, das alles hing irgendwie zusammen, und Aggi war zu dem Schluss gekommen, dass er am besten ganz von vorne begann, um dieses wirre Knäuel zu entwirren. Und womit hatte es angefangen? Mit der Ermordung von Verwalter Ludgar. Der Verwalter musste von irgendwoher Geld bekommen haben, wenn er wirklich so oft Gast im Roten Haus war, wie die Soldaten sagten. Er hatte also noch einmal Ludgars Witwe besucht, die aber steif und fest behauptete, nichts von irgendwelchem Geld zu wissen. Er glaubte ihr zwar nicht, beschloss aber, es vorerst so hinzunehmen. Warum sollte er die arme Witwe noch unglücklicher machen, als sie es schon war? Ihn interessierte auch nicht, wo Ludgars Geld nach seinem Tod hinging, er wollte wissen, wo es hergekommen war.
Deshalb war Teis Aggi nun auf dem Weg zum Roten Haus, ebenfalls zum zweiten Mal. Seiner Frau hatte Apei Ludgar offensichtlich vieles verheimlicht – aber hatte er auch bei den Huren immer den Mund gehalten? Das war die Frage, die Aggi klären wollte. Das Rote Haus stand nicht weit von der Brücke entfernt und war das einzige Hurenhaus der Stadt. Die Straße, auf die es hinausblickte, war noch von anderen zweifelhaften Kaschemmen gesäumt, und sie hatte den Ruf, Taschendiebe, Falschspieler und anderes Gesindel anzuziehen, wie überhaupt die Neustadt viele zweifelhafte und heruntergekommene Ecken hatte. Die Wache ließ sich selten hier blicken, und Aggi hatte immer den Verdacht gehabt, dass Hauptmann Fals die Hand dafür aufhielt, dass er beide Augen fest zudrückte. Er selbst war bis zu diesem Morgen, als er den Hut des Verwalters hier gefunden hatte, noch nie im Roten Haus gewesen. Nun war er schon zum zweiten Mal dort. Von außen machte es wirklich nicht den besten Eindruck, der rote Putz war zu großen Teilen abgeblättert, und die Fensterläden hätten einen frischen Anstrich gut vertragen können. Er klopfte an die Pforte. Ein kräftiger, kahlköpfiger Mann öffnete und musterte ihn misstrauisch.
» Ich bin noch einmal hier, wegen Apei Ludgar«, begann der Leutnant.
» Schon wieder? Der ist nicht hier. Er ist immer noch tot, wisst Ihr«, sagte der Glatzkopf mit einem dünnen Grinsen. Er blieb in der Tür stehen und versperrte Aggi den Weg.
» Und sein Tod ist immer noch nicht aufgeklärt. Also lasst mich hinein.«
» Wachen kommen sonst nicht hierher, jedenfalls nicht während des Dienstes«, sagte der Mann und wich keinen Schritt.
» Ich will nur noch einmal mit dem Mädchen reden, das Ludgar immer wieder besuchte. Ich will niemandem Ärger machen.«
» Ihr ärgert mich, und je länger wir
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