Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
Wenn der Befragte stark war und sich wehrte, konnte sein Geist Schaden erleiden, und auch das galt es zu vermeiden. Zum einen bestand die winzige Möglichkeit, dass sie unschuldig war – es war ihm aber noch viel wichtiger, Schäden zu vermeiden, wenn sie schuldig war. Hamoch hatte zusammen mit dem Richter Hauptmann Fals in der Krankenstube befragt. Es waren drei weitere Männer dort, die beim Kampf verletzt worden waren, einer davon rang mit dem Tod und konnte nicht sprechen, aber die beiden anderen bezeugten, dass das Mädchen dem Schatten geholfen hatte. Fals behauptete sogar, sie habe versucht, ihn zu töten, was Hamoch jedoch für eine Übertreibung hielt. Dennoch bestanden weder für ihn noch für Richter Hert Zweifel an ihrer Schuld. Er gestand sich ein, dass er auch gar nicht wollte, dass sie unschuldig war. Sie war jung, gesund, strotzte vor Leben, und nach allem, was er gehört hatte, war sie auch nicht ganz dumm, mit anderen Worten: Sie war vollkommen. Besseres und vor allem frischeres Material würde er wohl nie in die Finger bekommen. Es sah so aus, als würde sich seine traurige Pflicht hier auf das Vorteilhafteste mit seinen Forschungen vereinbaren lassen.
Er blickte hinüber zu den Glaskolben und ärgerte sich jetzt, dass er sie für die Überreste von Verwalter Ludgar verschwendet hatte. Und Meister Dorn, der Glasbläser, wollte nicht liefern, bevor er nicht seine Schulden bezahlt hatte. Da hatte er nun endlich einen Leib im Laboratorium, der noch nicht halb verwest war, und er konnte mit seiner Arbeit nicht beginnen, weil ihm ein paar Groschen fehlten. Er hatte schweren Herzens sogar auf die Leichen der beiden Soldaten verzichtet, die sie in einer eigenen Kammer aufgebahrt hatten. Normalerweise hätte er sie » untersucht« und dann eine Urne zurückgeschickt, aber er hatte keine Glaskolben mehr, und die nächsten, die er bekommen würde, waren für dieses Mädchen reserviert. Er seufzte. Er würde eben mit dem Verhör beginnen, vielleicht würde sich über Nacht irgendeine Geldquelle auftun, oder es würde ihm ein Weg einfallen, Meister Dorn doch zur Lieferung der Kolben zu bewegen. Bis dahin hatte er ohnehin einiges zu klären. Die Soldaten, selbst der Leutnant, waren sich einig, dass der Begleiter des Mädchens ein Schatten war. Das war in der Tat beunruhigend. Bahut Hamoch nahm sich einen Stuhl und setzte sich. » Dir ist bekannt, dass du des Hochverrats beschuldigt bist?«, begann er.
Ela fühlte den Blick des Magiers auf sich ruhen. Der Ausdruck darin gefiel ihr nicht. Kein Mann sollte ein anständiges Mädchen so ansehen. Sie hatte ohnehin keine hohe Meinung von ihm, doch jetzt sah sie unverhohlene Gier in seinen Augen. Es war abstoßend, und es machte ihr Angst.
» Ihr seid sehr dumm, wenn Ihr diesen Unsinn glaubt«, erwiderte sie endlich.
» Hast du nicht einem Schatten geholfen, in die Stadt zu gelangen? Und hast du ihm dort nicht sogar im Kampf gegen die Soldaten des Herzogs beigestanden? Oder sollten Leutnant Aggi und Hauptmann Fals mich etwa belogen haben?«
» Hauptmann Fals lügt, wenn er den Mund aufmacht, Herr. Und ich glaube nicht, dass Anuq das sein soll, was Ihr behauptet, Herr.«
» Du kannst es dir und mir einfach machen und gestehen, oder du kannst dich stur stellen. Es gibt viele Wege für mich, die Wahrheit zu erfahren, und ich würde dir die Folter gern ersparen.«
Ela schwieg.
» Ich kann auch mit Leichtigkeit in deinen Geist eindringen, Kind. Glaube mir, das ist äußerst schmerzhaft und unangenehm, aber nur für dich, nicht für mich.«
» Ich habe nichts zu verbergen«, behauptete Ela. Wenn sie gewusst hätte, dass sie damit freikäme, hätte sie ihm die Wahrheit gesagt. Denn sie wusste doch wirklich nicht, was es mit Anuq auf sich hatte. Sie hatte ihm geglaubt, dass er sein Gedächtnis verloren hatte, und sie glaubte ihm noch. Doch sie hatte Aggi schon ein paar kleine Notlügen erzählt, und die Wahrheit würde der Magier ihr jetzt sicher nicht mehr abnehmen. Sollte er ruhig versuchen, in ihren Geist einzudringen, dann würde man ja sehen, für wen das unangenehm und schmerzhaft werden würde.
Der Zauberer lächelte dünn. » Vielleicht überlasse ich die Befragung auch den Homunkuli. Sie haben ihre ganz eigenen Methoden.«
Ela unterdrückte ihre Angst. » Es sind abscheuliche Geschöpfe.«
» Abscheulich? Kunstwerke sind es, Wunder der Magie, oder eigentlich eher der Alchemie, auch wenn du den Unterschied nicht verstehst. Ich bin sicher, sie wollen dich
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