Schattenprinz 02 - Der Prinz der Klingen
seidig, deine Lippen leuchten, und Schmutz scheint dich irgendwie zu meiden. Ich hingegen sehe aus, als hätte ich die letzten Monate in einem Stall geschlafen. Und deshalb frage ich dich, wie du dieses kleine Wunder vollbringst.«
Für einen Augenblick völlig verblüfft starrte Jamade Ela mit offenem Mund an. Dann senkte sie den Blick, als sei sie beschämt, und sagte: » Magie.«
» Ein Zaube r ?«
Jamade nickte und ärgerte sich über ihren Fehler. Als sie in der letzten Nacht erneut Ainas Gestalt angenommen hatte, hatte sie natürlich zu der Erscheinungsform gegriffen, die sie fest in ihrem Gedächtnis verankert hatte. Und das war eben die Aina aus dem Wirtshaus, wohl gepflegt mit Wässerchen, Düften und Pudern. Sie hätte nie damit gerechnet, dass das ein Problem werden könnte.
» Kannst du ihn mir beibringen?«, fragte Ela.
» Nein, es ist dieser kleine Anhänger hier. Siehst du?«, behauptete Jamade und zeigte auf einen der vielen Anhänger, der an einem goldenen Kettchen um Ainas Hals hing. » Eine weise Frau, eine Zauberin, hat ihn in Elagir eigens für mich gefertigt. Er ist irgendwie mit meiner Haut verbunden, doch kann ich dir nicht genau sagen, wie dieses Wunder bewerkstelligt wird«, fügte sie hinzu, damit das Bauernmädchen nicht etwa auf die Idee kam, sich die Kette ausleihen zu wollen.
Etwas später zeigte ihnen Garwor von den Felsen aus den Blick über die Ebene. Im trüben Zwielicht konnten sie, weit entfernt, die Stadt mehr erahnen als sehen, ein bleicher Fleck im rötlichen Dunst. » Du’umu oder Bariri, wie sie einst hieß«, erklärte der Westgarther. » Wenn Euer Ahn wirklich dort im Schatten der Mauer beerdigt liegt, wie Ihr sagtet, dann müssen wir bis ganz dort hinüber.«
» Es sieht gar nicht so weit aus«, meinte Ela.
» Wir könnten gegen Mittag dort sein, wenn wir den geraden Weg beschreiten könnten. Doch in dieser Ebene gehören alle geraden Wege dem Tod«, meinte Garwor und schärfte ihnen noch einmal die wichtigsten Regeln ein: » Esst nichts, was dort wächst, trinkt kein Wasser, hebt nichts auf, auch wenn es auf dem Weg liegt. Weicht vor allem keine Handbreit von dem Pfad ab, den wir Euch weisen. Rennt, wenn wir sagen, dass Ihr rennen sollt, legt Euch hin, wenn wir es befehlen, und bleibt um der Himmel willen stehen, wenn wir es verlangen. Diese Ebene da unten ist durchdrungen von tückischer Magie, und ein falscher Schritt kann tödlich sein.«
Garwor führte sie zusammen mit Leiw und Dorgal, dem Wächter, zu einer Treppe unweit des Turms, die in den Fels gehauen war, aber mitten in einer steilen Wand endete. » Ab hier geht es mit dem Seil weiter«, sagte er. Er warf ein Seil aus, in das als Hilfe für die Kletterer Knoten geschlungen waren. Garwor machte den Anfang, ihm folgte Sahif, dann Aina, die sich ziemlich ungeschickt anstellte, Ela folgte ihr, und Leiw bildete wieder den Schluss. Als sie unten angekommen waren, gab Garwor dem Wächter einen Wink, und der zog das Seil wieder hoch.
Auf Elas fragenden Blick erklärte Garwor: » Vielleicht sind wir zu vorsichtig, aber vielleicht stimmt auch, was der alte Lenn sagt, und die Toten wollen immer noch diese Ebene verlassen. Dann wollen wir nicht diejenigen sein, die ihnen einen Weg eröffnen.«
Ela hatte eine Winzigkeit gezögert, bevor sie das Seil losließ und ihre Füße auf die Ebene setzte. Jetzt sah sie sich um und fühlte sich unwohl, was nicht nur an diesem falschfarbenen Himmel lag. Die Luft schien anders zu sein als noch auf dem Hügel, schwül, drückend. Das Atmen fiel ihr schwer, und als sie über das graue Gras blickte, sah sie, dass kein Hauch durch die Halme ging.
» Kein Wind«, erklärte Leiw. » Nie«, fügte er hinzu.
Ela nickte, und dann reihte sie sich in die Schlange ein, die wieder von Garwor geführt wurde. Zunächst folgten sie einem Trampelpfad, der sich um flache Erdhügel herumschlängelte. Es wuchsen fremdartige Blumen darauf, die kein schöner Anblick waren, denn ihre dunkelroten Blüten waren nur klein, und ihre Blätter waren von irgendeinem schwarzen Pilz befallen, der auch auf den langen, dürren Gräsern lag und sie zerfraß. Dann erreichten sie ein kleines Wäldchen aus toten Bäumen, die ihnen ihre dürren Äste entgegenstreckten, als wollten sie sie aufhalten. Garwor führte sie erst sehr nah heran, dann in einem seltsam weiten Bogen darum herum. Ela wagte nicht, nach dem Grund zu fragen, denn das hätte bedeutet, die lastende Stille zu durchbrechen.
Sie durchquerten ein
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