Schattenprinz 02 - Der Prinz der Klingen
sammelte sich und sagte: » Herrin, dies ist Kisbe Kisbara, Hohe Meisterin des ehrwürdigen Ordens des Zwiefachen Lichts.«
» Des Zwiefachen …«, entfuhr es Almisan, bevor er verstummte.
Shahila brauchte einen Augenblick, bis sie verstand: » Ihr seid eine Totenbeschwöreri n ?«
» So werden wir genannt, mein Kind, auch wenn unsere Fähigkeiten weit über das Beschwören der Toten hinausgehen. Das solltet Ihr nicht vergessen, wenn Ihr mit mir sprecht.«
Shahila hatte nicht die Absicht, sich von der Alten ins Bockshorn jagen zu lassen. Dort, an der Säule, lehnte ein Meister der Schatten. Er würde schon dafür sorgen, dass die Zauberin ihre Grenzen erkannte, wenn es sein musste. Aber noch war ihre Neugier größer als ihre Besorgnis.
» Ihr seid mutig, das zuzugeben, Kisbara. Euresgleichen ist geächtet, in allen Ländern und auf allen Inseln rund um das Goldene Meer. Ein jeder darf Euch töten, ohne Strafe befürchten zu müssen.«
» Euer zu groß geratener Schatten soll es ruhig versuchen, Kind«, sagte die Zauberin mit kühlem Lächeln.
» Vielleicht tut er das noch, Zauberin«, entgegnete Shahila gelassen. » Doch sagt, was verschafft mir die Ehre dieses … überraschenden Besuchs?«
» Eure freundliche Einladung, Hoheit«, spottete die Frau.
» Ah, und wann hätte ich diese Einladung versandt?«, erkundigte sich Shahila. Sie wusste immer noch nicht, was sie von dieser in schlichtes Grau gewandeten Frau halten sollte. Eine Nekromantin? Ihr Auftreten war unverschämt. Shahila sah hinüber zu Bahut Hamoch. Es war offensichtlich, dass er sie fürchtete. Doch was hieß das schon? Der Mann war ein Feigling und hatte noch nie besonders viel Rückgrat gezeigt.
Die Frau ließ ihren Blick durch die Kammer schweifen. Wie alle Gemächer in Burg Atgath war sie weder groß noch geräumig und hatte ein oder zwei Ecken zu viel, ein Umstand, der den vielen Umbauten an der Burg geschuldet war. Shahila kam der Raum jedoch plötzlich regelrecht schäbig vor, und das ärgerte sie. Überhaupt hatte diese Frau etwas an sich, das Shahila aufbrachte.
Jetzt sagte die Zauberin: » Ihr betreibt erheblichen Aufwand, um die Herrschaft über dieses armselige Nest und seine Burg zu erlangen, werden jene sagen, die es nicht besser wissen.«
» Ihr habt meine Frage nicht beantwortet, Kisbe Kisbara vom Zwielicht.«
Die Zauberin ging gemächlich hinüber zu den Fenstern und blickte durch die dunklen Butzenscheiben hinaus. » Keine sehr beeindruckende Stadt, wirklich nicht«, murmelte sie.
Es schien ihr keine Sorgen zu machen, dass sie Almisan den Rücken zuwandte. Aber noch gab ihm Shahila das Zeichen nicht. Sie wollte mehr über diese seltsame Frau wissen.
Diese starrte weiter durch die Scheiben und sagte dann: » Glaubt Ihr wirklich, Ihr könntet einige unserer geheimen Schriften erwerben, ohne dass wir davon erfahren?«
» Ich habe keine Ahnung, wovon Ihr sprecht, Hexe«, entfuhr es Shahila. Sie hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Hexe? Hatte sie wirklich Hexe gesagt? Diese Frau machte sie wütend, und das weckte das Skorpionenblut ihrer Familie in ihr.
» Oh, Ihr wisst es, Kind, Ihr wisst es. Homunkulus, eine unserer besten und berüchtigtsten Arbeiten. Eine gute Wahl. Wirklich, Hamoch die Papiere zukommen zu lassen, um seinen schwachen Geist in Versuchung zu führen – ich bin beeindruckt von so viel Hinterlist, Baronin.«
Shahila blickte hinüber zum Zauberer. Hamoch warf ihr einen brennenden Blick zu, voller Zorn – und Angst. » Herzogin«, berichtigte sie automatisch.
» Ah, der Titel! Aber noch ist Euer Gatte nicht gekrönt, sein Anspruch nicht einmal anerkannt, nicht wahr? Es mag sein, dass Ihr meine Hilfe noch brauchen werdet, Kind, denn Ihr habt Euch ein wenig übernommen, wie mir scheint.«
Die Frau trieb sie zur Weißglut. Shahila atmete tief durch, aber sie fühlte, dass sich ihre Nackenhaare aufstellten. Diese Hexe sprach von Hilfe, aber sie war eine Nekromantin. Wenn irgendjemand erfuhr, dass Shahila von Taddora eine Totenbeschwörerin in Atgath duldete, war sie verloren. Sie warf Almisan einen kurzen Blick zu. Er verstand, zog sich unmerklich ein wenig zurück, bis er mit dem Schatten der Säule verschmolz und plötzlich nicht mehr zu sehen war.
» Ihr versteht vielleicht, dass mein Orden diese Einladung nicht ausschlagen konnte«, fuhr die Zauberin fort.
» Ich weiß immer noch nicht …«
» Ihr habt Euch mit unseren Künsten befasst, Kind, und wer immer das tut, darf sich unserer
Weitere Kostenlose Bücher