Schattenprinz 02 - Der Prinz der Klingen
Shahila nahm an, dass er sich vor Schreck verschrieben hatte. Vermutlich hat ihn die Hexe absichtlich erschreckt, dachte sie.
Der ehemalige Adlatus und nun wenigstens dem Titel nach Erste Zauberer von Atgath legte die Feder zur Seite und räusperte sich. Mit unsicherer Stimme begann er: » Es gibt Neuigkeiten, Herrin. Ich, das heißt wir, wir haben erfahren, dass …«
» Erzählt es richtig, Hamoch«, unterbrach ihn seine Lehrmeisterin rüde. » Erzählt ihr ruhig, wie wir es erfahren haben.«
Wieder räusperte sich der Zauberer. » In der vorigen Nacht haben wir die Geister der Toten beschworen, Herrin. Dort in diesem Kreis riefen wir sie herbei. Nein, wir haben keine toten Leiber zum Leben erweckt, wie man uns nachsagt, wir haben nur ihre Seelen gerufen.« Er musste sich wieder räuspern. » Eine dieser Seelen war jene des unglücklichen Herzogs Hado …«
In Shahila zog sich etwas zusammen. War das die Neuigkeit? Hatte Hado sie endlich doch aus dem Grab heraus angeklagt, ihn ermordet zu haben?
» Ich war eigentlich kaum überrascht, dass es nicht Euer Halbbruder von den Schatten war, der ihn getötet hat«, warf Kisbara mit einem Lächeln ein. » Ganz im Gegenteil, es hat mir nur gezeigt, dass Ihr zu Taten fähig seid, für die es einer gewissen … Größe bedarf. Andere würden vielleicht sagen, das sei nicht Größe, sondern kaltblütige Grausamkeit, aber wo, frage ich Euch, liegt der Unterschied?«
Shahila schluckte schwer, denn nun fühlte sie sich der Nekromantin erst recht ausgeliefert. Diese sprach weiter. » Es ist wohl doch besser, wenn ich es erzähle, denn dieser Narr von einem Schüler würde wohl noch Tage brauchen, um auf den entscheidenden Punkt zu kommen. Ich habe schon mit Ratten das Laboratorium geteilt, die klüger waren. Ich befahl ihm, auch die toten Prinzen von Atgath herbeizurufen, denn ich war doch neugierig, ob sie etwas über ihr Ende erzählen konnten. Stellt Euch meine Enttäuschung vor, ja, die Vorwürfe, die ich Hamoch machte, weil er scheinbar wieder einmal jämmerlich versagte; denn es erschien nur einer der Brüder. Es war Olan, erstochen auf einem brennenden Schiff. Und Gajan, fragte ich, wo bleibt Gajan? Doch denkt Euch, es war gar nicht Hamochs Unvermögen, das Gajans Erscheinen vor uns verhinderte.« Kisbe Kisbara lächelte und war offenbar gewillt, der Baronin Zeit zum Nachdenken zu geben.
Shahilas Gedanken rasten. Sie begriff, wollte es aber nicht wahrhaben und erbleichte. Und erst jetzt sagte Kisbara: » Gajan konnte nicht vor uns erscheinen, weil er gar nicht tot ist.«
» Unmöglich!«, stieß Shahila hervor. » Quent hat es gesehen!«
» Wir haben Olan nach ihm gefragt. Er hat ihn noch nicht im Jenseits willkommen heißen können. Ich nehme an, Euer Gemahl wird hocherfreut sein, das zu erfahren. Wie ich hörte, ist er nicht sehr erpicht auf diese Herzogskrone.«
Shahila trat einen Schritt auf Kisbara zu. » Beleran darf das auf keinen Fall erfahren, hört Ihr? Wo ist Prinz Gajan jetzt, wo sind seine Kinder? Leben die ebenfalls noch?«
» Reicht es Euch nicht zu wissen, dass noch ein anderer Erbe lebt? Wollt Ihr unbedingt wissen, dass auch einer seiner Söhne offenbar überlebt habt? Nanu? Freut Ihr Euch gar nicht über diese gute Nachricht?«, spottete Kisbara. » Hamoch meinte, das würde Eure Pläne berühren, was ich gar nicht verstehe. Das mag natürlich daran liegen, dass ich so wenig über diese Pläne weiß, Kind.«
Shahila spürte den unbändigen Wunsch, dieser Zauberin an die Gurgel zu gehen, aber dann gewann sie ihre Beherrschung zurück. Und während sie noch fieberhaft überlegte, was zu tun war, flüsterte Almisan hinter ihr. » Ich breche sofort nach Felisan auf, Hoheit.«
Sie drehte sich um. Er begriff wirklich schnell, schneller als sie. Shahila nickte. » Sahif darf nichts geschehen!«, zischte sie. » Die Bergkrieger, die Schattenschwester, sie dürfen ihn nicht töten!« Sie schloss die Augen. Es wäre nicht auszudenken, wenn das Wort an Gajan fiele.
» Ah, Sahif. Ist das der Name Eures Halbbruders – des Schattens?«
Shahila fuhr herum. Noch immer saß die Nekromantin völlig ungerührt auf ihrem Platz, als ginge sie das alles nichts an. » Könnt Ihr mir sagen, Kisbara, wo Gajan jetzt ist?«, fragte sie.
» Vielleicht kann ich das. Wenn Ihr mir verratet, warum Ihr das wissen wollt, Kind.«
Ein kurzer Seitenblick zu Almisan sagte ihr, dass auch er der Meinung war, dass es nun unumgänglich war, Kisbara wenigstens teilweise
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