Schattenraum 01 - Garlyn - Das Schattenspiel
seh’ dich dann beim Essen!«, rief er Kirai zu.
»Wird sich nicht vermeiden lassen«, gab sie tonlos zurück.
»Irgendwie hab’ ich den Eindruck, sie wär’ gern woanders«, sagte Garlyn, während er Heska folgte.
»Mag sein«, sagte dieser unbekümmert. »Nur zählt in diesem Haus der Wille eines anderen.«
Das Innere des Palastes war nicht weniger luxuriös als die Fassade. Sie durchquerten hallende Korridore mit weißem Stuckwerk. Schwebende Robo-Diener kamen ihnen entgegen; organisches Personal schien es nicht zu geben.
Selbst der kleinste Gang war mit Kunstwerken geschmückt: alter Grabschmuck der Kristallformer von Xilan, ein antiker fordianischer Raumanzug aus den ersten sternfahrenden Tagen der Spezies, die edelsteinbesetzte Maske eines namenlosen Gottes. Unter anderen Umständen hätte all das Garlyns Piratenherz höher schlagen lassen, doch ihn beschäftigte nur ein Gedanke: Die verdammte Zeit läuft mir davon!
Er musste von hier fort, er musste nach Viridis, je früher desto besser!
»Deine Suite.« Heska öffnete eine Tür aus silberweißem Metall. »Ein kleiner, freundschaftlicher Tipp, Junge«, sagte er unter vier Augen. »Benimm dich. Oder es kann sehr schnell sehr unangenehm für dich werden.«
»Ich werd’s mir merken«, gab Garlyn gut gelaunt zurück und dachte: Bei der nächstbesten Gelegenheit schlag’ ich dir jeden Zahn einzeln aus, Spitzohr.
Heska ließ ihn allein.
Die Suite bestand aus vier Räumen. Einem Wohnzimmer, randvoll mit Kunstwerken und polierten Bücherregalen, die mit antiken, syndolonischen Werken vollgestopft waren; einem Medienzimmer mit der neusten Holotechnik und einem Kreis aus Sofas; einem Schlafzimmer mit Null-Schwerkraft-Bett, das größer war als manche Shuttles, die er geflogen hatte, und zuguterletzt einem Bad mit Fliesen, die aussahen wie aus Lapis Lazuli gefertigt, vervollkommnet von einer gigantomanischen Badewanne im Boden.
Jedes Zimmer blickte hinaus in den Garten des Hauses, wo Blumen aus der gesamten Galaxis in allen Farben des Regenbogens blühten.
Ein Robo-Diener hatte sich bei seinem Eintreten aktiviert und schwebte auf ihn zu: eine kopfgroße spiegelnde Metallkugel mit vier Armen und einem leuchtenden Sensor als Augenersatz.
»Unser Herr legt viel Wert auf ein gepflegtes Äußeres«, sagte die Maschine und scannte das Loch in seinem Hemd. »Wenn Sie wünschen, kann ich Ihnen eine individuelle Garderobe für den heutigen Abend anfertigen.«
»Von mir aus«, sagte Garlyn. Als der Robo-Diener davon schwebte, schmiss er sich auf das Bett. Das Null-Schwerkraft-Feld fing ihn auf, weicher als Daunen.
Was wollen die Kerle von mir? Die eine Frage spukte wieder und wieder durch seinen Kopf. Waren sie tatsächlich scharf auf Vagos vermeintliche Geheimnisse? Wohl kaum. Waridur hatte mehr Geld als der Imperator von Snex – alle Schätze, die Vago im Laufe seines Leben erbeutet hatte, konnten nicht mehr als Kinkerlitzchen für ihn sein.
Die Helix also.
Garlyn berührte abwesend die Schattenspiralen an seinem Arm. Aber woher wussten sie, was das Ding darstellte? Oder hatten sie es beim Scan herausgefunden? Unwahrscheinlich: Er selbst hatte die Helix wieder und wieder gescannt, als er noch auf der Eric gewesen war. Alles, was ihm die Analyse verraten hatte, war, dass sie eine unbekannte Form von Energie benutzte. Mehr nicht.
War das genug für Waridurs Leute, ihn hierher zu schleppen? Aber warum gaben sie sich dann so scheißfreundlich? Sie hätten ihm den Arm einfach abhacken können, zusammen mit der Helix.
Er stellte sich vor, wie sie versuchten, ihm das Ding abzunehmen, als er ausgeknockt gewesen war. Vergebene Liebesmüh. Er selbst hatte versucht, die Helix zu entfernen. Doch sie klebte an ihm wie sein eigener Schatten.
Rick und die anderen – er wünschte sich so verzweifelt wie nie, er könnte sie hier herzaubern. Sie waren so oft in ausweglosen Situationen gewesen. Beim Angriff der Kalioten auf Oludan, während des Gefechts mit der letzten Mayfar-Schwester bei Kessador – bei der Befreiung von Vago aus den Kerkern von Exylon. Auf Viridis, auf der Welt seiner Leute. Egal, wie brenzlig die Lage gewesen war, ein Teil von ihm hatte immer gewusst, dass ihm nichts geschehen konnte, mit ihnen an seiner Seite.
Er war schon zuvor allein gewesen: nach seinem Streit mit Vago vor fünf Jahren, als er als Sternentrotter durch die Milchstraße gereist war, auf der Suche nach seinem Volk, auf der Suche nach sich selbst. Auch zu seiner Zeit als Schmuggler
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