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Schattenraum 01 - Garlyn - Das Schattenspiel

Schattenraum 01 - Garlyn - Das Schattenspiel

Titel: Schattenraum 01 - Garlyn - Das Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dane Rahlmeyer
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erwacht und er erschrak wieder vor der kalten, bebenden Energie, die ihr innewohnte.
    »Gewöhn’ dich nicht zu sehr an den Jungen«, sagte Heska, während er Kirai durch den weißerleuchteten Korridor des Palastes führte. »Er wird nicht allzu lange bei uns bleiben.«
    Kirai schloss die Augen. Genau davor hatte sie sich gefürchtet. Sie bemühte sich, dies vor Heska zu verbergen. »Was habt ihr mit ihm vor?«, fragte sie.
    »Nur das Beste«, antwortete Heska, die Zähne grinsend gebleckt.
    Kirai antwortete nicht. Sie dachte an den Beinahe-Kuss von eben. War Garlyn ernstlich um sie besorgt, oder war das nur eine Maske? Es war so lange her, dass sie einen wahren Freund gehabt hatte, dass sie sich nicht mehr sicher war.
    Tiru , dachte sie. Seit ihrer Ankunft hatte sie ihn nicht gesehen. Und sie durfte nicht nach ihm fragen, aus Angst, sie könne ihn verraten. Sie lauschte in den Palast hinein, als könnte sie ihn irgendwo in dem Gebäude ausmachen. Tiru. Den einzigen Freund, den sie an diesem Ort gehabt hatte, seit ihre Mutter fort war.
    Bitte sei noch hier. Bitte sei noch am Leben.
    Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als Heska die Tür zum Arbeitszimmer öffnete.
    Es war ein kleiner Raum mit einem Schreibtisch aus Düsterholz und einem Kamin, in dem lautlos holografische Flammen brannten. Ein dreitausend Jahre alter, blutroter Teppich lag über den weißen Fliesen.
    Ihr Vater stand am Fenster und blickte hinaus in den Garten. Skra hockte neben ihm und ließ sich den schrecklichen Kopf streicheln. Als sie näher trat, blickte sich das Ungeheuer nach ihr um, seine Augen blitzend, die Zähne im falschen Kaminfeuer funkelnd.
    Ihr Vater jedoch sah sie nicht an; Kälte breitete sich in jeder Faser ihres Körpers aus. Er hatte keine gute Laune. Natürlich nicht.
    »Du wolltest mich sprechen?«, fragte sie, gegen alles gewappnet. Zumindest hoffte sie das.
    »Alles, was ich je getan habe«, sagte ihr Vater, »habe ich nur für euch getan.«
    Sie blickte in seinen Rücken und wartete ab, während sie hörte, wie Heska sich hinter ihr vor die geschlossene Tür stellte, wo er still und stumm wie eine Statue verharrte.
    »Ich weiß, Vater«, sagte sie und blickte auf die labyrinthischen Muster auf dem Teppich.
    Skra knurrte wohlig, als ihr Vater die Streicheleinheiten fortsetzte. In Momenten wie diesen war er am gefährlichsten: trügerisch ruhig, wie die See vor einem Sturm.
    »Wir hatten nichts«, sagte er.
    Sie wechselte unruhig von einem Fuß auf den anderen. Es ging wieder los. Die glorreiche Geschichte seines Aufstiegs.
    »Mein Vater und seine Brüder waren arme Bauernsklaven. Ihre Hände schwielig von der Arbeit in den Agrarfabriken, ihre Rücken gekrümmt, als wären sie alte Männer. Meine Mutter war halbblind von den Schlägen eines Aufsehers. Drei meiner Brüder starben vor Hunger, bevor ich geboren wurde. Wir lebten in einer Hütte, zusammengepfercht mit Dutzend anderen.
    Wir hatten nichts.«
    Sie ließ ihn ausreden.
    »Aber wir haben zusammengehalten. Untereinander. Wir haben uns zusammengerauft. Haben uns gegen die Aufseher gewandt. Haben die Fabrik übernommen – unser Schicksal selbst geschmiedet. Und unsere Familie musste nicht mehr hungern. Warum?«
    »Weil ihr zusammengehalten habt«, sagte sie und hielt das Haupt weiter demütig gesenkt, in der Hoffnung, den aufziehenden Sturm zu besänftigen.
    »Weil wir loyal waren«, sagte er. »Immer. In den Hungerjahren – und als wir begannen, andere für unsere Sache anzuwerben.«
    Als ihr Schutzgelder von den armen Bauern erpresst habt , dachte sie. Als ihr die Straßen und die Kanäle unsicher gemacht habt, um Lebensmittel und Drogen zu stehlen, die ihr dann teuer verkaufen konntet . Als ihr alle im Schlaf getötet habt, die versuchten, euch aufzuhalten. Sie biss sich auf die Unterlippe, um es nicht laut auszusprechen.
    »Und sieh dir an, was wir jetzt haben. Als ich ein Kind war, konnte ich von einem Palast wie diesem nur träumen.«
    Dann behalte ihn , dachte sie. Behalte deinen verfluchten Palast und deine Spielsachen und lass dich von mir aus mit ihnen begraben!
    Erst jetzt drehte sich ihr Vater zu ihr um. Kirai erstarrte.
    Er machte einen stummen Wink und sie trat näher, wobei sie gegen jeden einzelnen Schritt kämpfte. Skra knurrte sie an. Geifer lief ihm aus dem Maul.
    Dicht vor ihrem Vater blieb sie stehen und ließ sich von seinem Blick durchleuchten. Als er die Hand hob, zuckte sie zusammen. Doch er strich ihr nur über die Wange.
    »Du siehst ihr so

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