Schattenreiter
brauste davon.
»Das ist ein Unding«, beschwerte sich Roger.
»Reg dich nicht auf, denk an dein Herz«, beruhigte Abigail ihn und schenkte ihm Zitronentee ein.
»Ist doch wahr. Was hat der je für unsere Gemeinde getan? Und so einer will Sheriff sein.«
»Er tut, was er kann.«
»Aber das ist offenbar nicht genug.«
»Was soll er denn machen, Roger? Wir haben nun mal niemanden erkennen können.«
Der Einzige, der Licht ins Dunkel bringen konnte, war Rin. Er musste den oder die Täter gesehen haben.
Ich suchte nach Müllschippe und Handfeger und machte mich daran, die Scherben zu beseitigen. Die Sache mit dem Fenster war schnell geregelt. Bereits am Nachmittag wurde eine neue Scheibe eingesetzt.
Ich half meiner Tante im Café, machte jedoch am späten Nachmittag Feierabend, weil Ira ihre Freunde und mich zu einem DVD-Abend zu sich nach Hause eingeladen hatte. Ich war sehr gespannt auf Pway und Linda, bekam aber auch ein schlechtes Gewissen, meine Tante mit der Arbeit allein zu lassen. Doch Abigail versicherte mir mehrmals, dass sie allein zurechtkäme und ich mir einen tollen Abend machen sollte.
Die McLaines wohnten in einem wunderschönen Häuschen, das aus einem amerikanischen Familienfilm hätte stammen können. Überall wuchsen herrlich bunte Blumen, im Vorgarten, in den Fensterkästen, auf den kleinen Beeten vor der Haustür. Rosafarbene Vorhänge zierten die weiß gerahmten blitzblanken Fenster. Es war ein Puppenhaus. Einzig der Schädel eines Büffels, der über der Haustür hing, passte zu dem Westernstil, der in dieser Gegend typisch war.
Ich klingelte, und Ira öffnete mir. »Schön, dass du es einrichten konntest! Komm rein. Ich möchte dir meine Familie vorstellen.«
Mrs McLaine sah genauso aus, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Eine perfekte Hausfrau und Mutter, die zugleich Schürze und Make-up trug.
»Willkommen in Pennington County«, begrüßte sie mich und schüttelte mir überschwänglich die Hand.
Mr McLaine arbeitete für das Rapid City News Journal und hatte ein eigenes Büro im Haus. Er winkte mir nur kurz durch die Tür zu.
»Eigentlich wollte ich mir eine Studentenbude in Rapid City nehmen, aber das klappt finanziell nicht«, erklärte Ira und stieg die Treppe nach oben. Ich folgte ihr.
»Du studierst?«
»Ja, Geschichte und Literatur.«
Nach meinem sozialen Jahr hatte ich eigentlich auch vor zu studieren, ich hatte mich allerdings noch für kein Studienfach entschieden.
»Wollt ihr ein paar Kekse?«, rief uns Mrs McLaine hinterher.
»Nein danke, Mom. Wir haben noch genug in meinem Zimmer.«
»Alles klar. Dann viel Spaß!«
»Danke, Mom.« Und an mich gewandt, meinte sie: »Die anderen sind übrigens schon da.«
Ira stellte mir Pway, der ohne die Ölflecken im Gesicht ganz nett aussah, und Linda, eine natürliche Schönheit mit irischen Vorfahren, vor. Außerdem war da noch Jack, ein Freund von Pway, der, wie ich erfuhr, ursprünglich aus Jamaika stammte und gleich mehrere Tüten Erdnussflips mitgebracht hatte. Wir guckten »American Beauty«, und anschließend erzählte ich ihnen von meinem Leben in Berlin.
»Wie haben sich deine Eltern eigentlich kennengelernt?«, wollte Jack wissen.
»Auf dem deutsch-amerikanischen Volksfest. Mom hat Zuckerwatte verkauft, und Dad war in Zivil unterwegs. Er hat sich auf den ersten Blick in ihr strahlendes Lächeln verliebt und sie dann jeden Tag an ihrem Stand besucht. So lange, bis er sie so weit hatte, dass sie mit ihm Achterbahn fuhr. Mom hatte schreckliche Angst vor den Karussells und ganz besonders vor der Achterbahn. Dass sie dann schließlich doch ja gesagt hat, sprach lediglich für Dads Charme. Dad wusste nicht nur, wie er jemanden überzeugen konnte, er war auch ein schlauer Fuchs. Die ganze Fahrt über hat sich Mom an ihm festgekrallt, bis sie ihn schließlich gar nicht mehr loslassen wollte.«
»Eine süße Geschichte. Und wie heißt es so schön, Gegensätze ziehen sich an.«
Als Ira das sagte, musste ich unwillkürlich an Rin denken. Gab es einen größeren Gegensatz als ihn und mich, das Stadtmädchen? Ich konnte das Sprichwort nur bestätigen. Nie zuvor hatte ich mich so stark zu jemandem hingezogen gefühlt. Und das, obwohl ich ihn kaum kannte. Vielleicht lag es an seiner geheimnisvollen Andersartigkeit? Ich wusste nicht genau, was es war, doch ich hatte es vom ersten Moment an gespürt.
»Das finde ich auch«, meinte Linda leise, die ein sehr ruhiges Mädchen war. Ihre Haare schimmerten rotblond. Ich erfuhr,
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