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Schattenreiter

Schattenreiter

Titel: Schattenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Nikolai
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Fähigkeit ist die Spiritualität.« Er musterte mich sehr eindringlich und wartete auf eine Reaktion. Aber ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
    »Für dich klingt das wie ein Märchen. Hab ich recht, Stadtmädchen?«
    »Nein, eigentlich nicht.« Vielleicht hätte es so klingen müssen, das wäre zumindest vernünftig gewesen, aber ich war fasziniert von Rins Geschichte und seinem Wissen über die Geister. Ich wollte mehr über ihn und seine Welt erfahren.
    »Du bist also ein Schamane?«
    »Noch nicht. Ein langer Weg liegt vor mir. Manche sagen, es dauert ein Leben lang, um die Weisheit von zehn Kreisläufen zu erlangen. Ein Schamane aber braucht die Weisheit von hundert Kreisläufen.«
    »Das klingt, als sei es unerfüllbar.«
    »Es ist eine Lebensaufgabe. Aber nun weißt du, was es mit den Krähen auf sich hat. Sie tun mir nichts, und auch dir werden sie kein Haar krümmen.« Er warf das letzte Stückchen Brot in die Luft. Sofort breitete eine Krähe ihre Flügel aus und schoss hinterher, um es aufzufangen, bevor es zu Boden fiel.
    »Welchem Stamm gehörst du an?«
    »Wir nennen uns Ti’tibrin E’neya. In eurer Spracheheißt es Kinder der E’neya, der Gründerin und Urmutter unseres Stammes, welche die Männer und Frauen zu einer Sippe einte und uns den Weg der Natur lehrte.«
    »Von diesem Stamm habe ich noch nie gehört.«
    »Es gibt über fünfhundert anerkannte Stämme in den USA. Wie sollte ein Großstadtmädchen wie du sie alle kennen?«
    »Haha. Ich wünschte, du würdest aufhören, mich so zu nennen.« Es kränkte mich ein bisschen. Er musste glauben, dass ich von nichts eine Ahnung hatte, was sich außerhalb von Berlin befand.
    »Ich meine es nicht böse. Das weißt du hoffentlich?« Er legte sacht den Arm um meine Schultern und zog mich an sich. So dicht, dass mir der Duft von Wald und Wiese in die Nase stieg. Ich inhalierte dieses wilde Aroma, das meine Sinne vernebelte.
    »Ja, ich weiß.«
    Es war aufregend, ihm so nahe sein zu dürfen. Ich fing an zu schwitzen. Ausgerechnet jetzt. Rasch wischte ich meine klebrigen Hände an meiner Hose ab. In dem Moment ließ er mich los und ging vorneweg. Ich war enttäuscht, hatte ich doch gerade angefangen, seine Nähe zu genießen. Seine Bewegungen waren sehr anmutig und leichtfüßig, doch zugleich strotzten sie vor Stärke. Er besaß eine natürliche Eleganz, die ich nie zuvor bei einem anderen Menschen wahrgenommen hatte. Die schulterlangen Haare wippten im Rhythmus seiner Schritte, gleich der wilden Mähne eines Mustangs, der durch die Prärie galoppierte.
    »Danke fürs Heimbringen«, sagte ich, als wir vor dem Desert Spring stehen blieben. »Hoffentlich hast du jetzt keinen allzu langen Heimweg vor dir?« Ich hoffte herauszufinden, wo er lebte. Dann könnte ich zufällige Begegnungen inszenieren.
    Er nickte mit dem Kopf nach Norden. »Ein Stückchen von hier ist es schon. Aber das stört mich nicht. Ich lebe hinter der Stadtgrenze.«
    »Auf einer Farm?« Ich hatte diese fixe Idee, Rin könne als Farmerjunge angestellt sein. Sein kariertes Hemd und die Jeanslatzhose erweckten diesen Eindruck. Er schüttelte amüsiert den Kopf.
    »Aber was ist denn dort draußen? Noch eine Stadt?«
    Von der hätte ich sicherlich inzwischen gehört. Andererseits gab es im Pennington County viele kleine Orte, die nur mit etwas Glück auf einer Landkarte zu finden waren.
    »Ich lebe dort, wo die Wälder beginnen.«
    »Das muss sehr einsam sein.«
    »Ich mag es, wie es ist.«
    Ich ließ das Gartentor hin- und herschwingen, doch als Rin mich plötzlich auf unsagbar sanfte Weise ansah, hielt ich abrupt inne. Seine Augen waren wie zwei große schwarze Löcher, in die man sehr schnell hineingesogen wurde, wenn man sich nicht in Acht nahm. Ich jedenfalls konnte nun, da ich zu lange hineingeschaut hatte, nicht mehr wegsehen.
    Sein Blick wanderte tiefer und blieb an meinen Lippen hängen. Ein aufregendes Kribbeln breitete sich in meinem ganzen Körper aus.
    »Das war ein schöner Abend«, sagte er.
    »Ja, das war er.« Ich wünschte nur, er würde jetzt nicht zu Ende sein.
    »Kommst du auch zur Cluberöffnung?«, fragte ich in der Hoffnung, ihn dort wiederzusehen.
    »Cluberöffnung?«
    »Der Cobra Club in Rapid City. Das soll schon jetzt ein angesagter Laden sein«, erklärte ich und berief mich dabei auf Iras Aussagen. »Der mit der großen Kobra über dem Eingang.«
    Rin wiegte nachdenklich den Kopf. »Ich glaube nicht, dass das etwas für mich ist.«
    »Schade.« Das hätte ich

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