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Schattenreiter

Schattenreiter

Titel: Schattenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Nikolai
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Ven’Callas, was so viel wie ›im Schoße Callas’‹ bedeutet.
    Callas war ein ehrwürdiger Mann, der gut für Frau und Kinder sorgte. Er verehrte die Natur und alles, was sie hervorbrachte. Niemals kam es ihm in den Sinn, die Schätze der Wälder zu plündern. Er nahm nur, was er zum Überleben brauchte, so, wie es E’neya ihr Volk gelehrt hatte.
    Eines Tages rief er die Männer seines Stammes zurJagd, um die Vorräte aufzufrischen. Jeder Jäger bewaffnete sich mit Pfeil und Bogen oder Speer, und sie folgten den Bisons über das weite Land. ›Ein Bison soll genügen, lasst die anderen ziehen‹, sagte Callas, und seine Männer hörten auf ihn, wie sie es immer taten. Sie kreisten den größten und stolzesten Bison ein, bis dieser nicht mehr entfliehen konnte. Callas hob seinen Speer und traf ihn mitten ins Herz. Er war auf der Stelle tot. Die Männer zerlegten ihn und trugen das kostbare Fleisch nach Hause, wo es die Frauen am Feuer zubereiteten. Auch Fell und Leder wurden verwertet, denn der Tod des Bisons sollte nicht umsonst gewesen sein.
    Callas war voller Stolz über die erfolgreiche Jagd und begab sich auf den höchsten Hügel des Waldes, um den Zorwaya zu danken. Gerade, als er den Felsen erklommen hatte, vernahm er ein eigenartiges Geräusch. Neugierig folgte er den nie gehörten Lauten und fand ein Wesen, das ihm fremd war. Sein Hinterbein steckte in einer Felsspalte fest. Es war groß und kräftig, und Callas erkannte, dass er es würde reiten können, wenn er es befreite. Es war eines der letzten Urpferde und er nannte es Onpatok.
    Rasch löste er das kräftige Seil von seinem Gürtel und band es zu einer Schlaufe, die er dem Onpatok um den Hals legte. Dann beugte er sich herunter, umfasste den Huf mit beiden Händen und zog ihn in einem Ruck aus der Spalte. Onpatok blieb unverletzt und schien seinem Retter sehr dankbar. Als Callas sich auf seinen Rücken schwang, warf Onpatok ihn nicht ab, sondern duldete ihn als seinen neuen Meister.
    Sie ritten durch die Prärie. Nie zuvor war Callas schneller gewesen. Er glaubte, auf Onpatoks Rücken zufliegen. Wo immer Callas’ Ziel lag, Onpatok brachte ihn dorthin. War Onpatok in Gefahr, weil ein Bär ihn angriff, stellte sich Callas schützend vor ihn und verteidigte ihn mit seinem Speer. Rief Callas zur Jagd, hatte Onpatok die Herde der Bisons zuvor ausgespäht und führte die Jäger zu ihnen.
    Eines Tages ritten sie zu einem See, denn Callas wollte ein Bad nehmen, und Onpatok verspürte Durst. Als er sein Maul ins kühle Nass tauchte, erblickte er in der Ferne eine Herde seines Volkes und wollte ihnen folgen, mit ihnen weiterziehen, wie er es zuvor getan hatte, bevor Callas ihn gefangen genommen hatte. Der erkannte die große Sehnsucht seines Gefährten und gab ihn frei. Onpatok war so dankbar, dass er Callas ein kostbares Geschenk machte. Er sagte, wenn er einst von der Welt gehe, werde sein Zorwaya zu Callas und dessen Ti’tibrin zurückkehren. Und so werde es auch mit seinen Nachfahren und deren Nachfahren sein. Auf ewig solle ein Band bestehen, zwischen Callas’ Volk und den Onpatok. Mit einem Wiehern bäumte er sich auf und trabte zu der Herde. Die Onpatok empfingen ihn als einen der ihren, die Jungen spielten mit ihm, und die Stuten leckten freudig sein Fell. Das war das erste Mal, dass Callas Onpatok vor Glück springen sah. Nie würde er die Freude in seinen Augen vergessen.
    Die Jahre gingen ins Land, und die Zeichen der Zeit zeigten sich in Callas’ Gesicht. Viele Freunde waren gestorben, auch sein Weib war von ihm gegangen, und doch spürte er in sich Zufriedenheit, denn er hatte sein Leben gelebt, so, wie er es gewollt hatte. Oft dachte er an Onpatok zurück und wie er mit ihm durch die Lande geritten war und den Duft der Freiheit eingeatmet hatte.
    Eines Morgens wachte er auf und spürte, dass er den letzten Sonnenaufgang gesehen hatte. Müde und erschöpft, wie er war, begab er sich auf den Hügel, an dem er einst Onpatok begegnet war. Hier wollte er sich zur Ruhe legen. Sein Herz war voller Freude, als er über das weite Land blickte, das ihm immer Heimat und Jagdgrund gewesen war. Da spürte er plötzlich die Nähe seines alten Freundes in sich. Callas drehte sich um und sah in die treuen Augen seines Gefährten. Er war jung und frisch, als hätte ihm die Zeit nichts angehabt. Sein Fell war von einem eigenartigen Glanz, dass Callas glaubte, die Sterne selbst hätten es gestriegelt.
    Ich bin gekommen, um mein Wort einzulösen, hörte er

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