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Schattenreiter

Schattenreiter

Titel: Schattenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Nikolai
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zuvor gefolgt war. Die Hufspuren! Natürlich. Sie stammten von Rin und Hevova!
    Mein Körper verkrampfte sich. Fast schien es, alswürde sich meine Anspannung auf das Moped übertragen. Ich hatte Schwierigkeiten, es zu lenken. Das Brummen des Motors klang bedrohlich. So, als würde er jeden Augenblick explodieren. Ich warf einen Blick hinter mich und erschrak. Rin hatte mich fast eingeholt, und Hevova war dicht hinter ihm. Sie preschten durch das Unterholz. Weder peitschende Zweige noch dicke Äste hielten sie auf. Rin schlug mit beiden Armen beiseite, was ihm im Weg war. Die Geschwindigkeit, mit der er sich näherte, machte mir Angst. Nur wenige Meter trennten uns noch voneinander.
    Er rief etwas, aber ich verstand ihn nicht. Der Motor war zu laut. Ich versuchte, nach rechts zu lenken, aber es war unmöglich. Mein Moped schien ein Eigenleben entwickelt zu haben. Die Steuerung lag nicht mehr in meiner Hand. Ein riesiger Eichenstamm kam auf mich zu. Gleich! Gleich würde ich zerschellen.
    Ich hob schützend die Arme vor mein Gesicht, in der Hoffnung, den Aufprall abzuschwächen, als ich aus dem Sitz gehoben wurde und durch die Luft wirbelte. Ich hörte mich schreien. Mit einem lauten Knall prallte das Moped gegen den Baumstamm. Aber das bekam ich nur wie aus weiter Ferne mit. Mein Körper erschlaffte, und Dunkelheit hüllte mich ein, gleich einer dichten Nebelwand. Und ich verlor das Bewusstsein.
    Als ich wieder zu mir kam, war ich nicht mehr im Wald. Ich lag in einem Bett, war in eine Wolldecke gewickelt und konnte mich kaum bewegen. Rin saß neben mir. Sein Gesicht war ernst. Schatten lagen über seinen Augen. Etwas schien ihn zu quälen, aber ich konnte nicht sagen, was es war. Ich erinnerte mich nicht einmal, was überhaupt geschehen war. Mein Kopf schmerzte, alshämmerte jemand von innen gegen meine Schädeldecke. Bilder zuckten vor meinem inneren Auge auf. Bruchstücke, Fetzen, die ich nicht zuordnen konnte. Zwei Mischwesen, halb Pferd, halb Mensch. Sie ragten aus dem Wasser. Kentauren. Erneut spürte ich diesen dringlichen Fluchtreflex. Ich zuckte zusammen. Aber Rin sah aus wie immer. Er trug seine Latzhose und das karierte, an den Ärmeln hochgekrempelte Hemd.
    »Fürchte dich nicht, Jorani«, flüsterte er. »Ich tue dir nichts.«
    Er klang verzweifelt.
    »Was ist geschehen?«
    »Ich war sehr unvorsichtig. Das hätte nicht passieren dürfen.« Er senkte den Kopf, als ertrüge er es nicht, mir in die Augen zu sehen.
    Das war kein Alptraum gewesen. Ich hatte die Kentauren tatsächlich gesehen. Die dunklen Haare verwandelten sich in Vorhänge, die sein Gesicht vor mir abschotteten. Eine feuerrote Feder steckte hinter seinem Ohr. Er tat mir leid.
    Ich wollte seine Hand nehmen, aber sie war zu weit weg. Er hatte mich gerettet. Auch daran erinnerte ich mich. Ich wusste, wer er war, aber nicht, was.
    »Ich will dir alles erklären«, sagte er, als habe er meine Gedanken gelesen. »Allerdings wird es deinen Verstand auf die Probe stellen. Hörst du mir trotzdem zu?«
    »Ja «, versprach ich. Natürlich würde ich das tun, denn ich wollte wissen, was mit ihm geschehen war. Er hob den Kopf, seine Haare glitten zurück. Ein winziges und doch sehr hoffnungsvolles Lächeln umspielte seine Lippen.
    Regen trommelte auf das einfache Holzdach. Es hörtesich beängstigend an. Als würde eine Armee winzigster Lebewesen über uns hinwegmarschieren. In weiter Ferne hörte ich das Grollen von Donner. Ein Unwetter nahte. Und doch fühlte ich mich zusehends sicherer. Der Duft von Hagebutte stieg mir in die Nase. Zwei dampfende Teetassen standen auf dem Tisch.
    »Du musst durcheinander sein«, sagte er und schaute dabei zu Boden.
    »Ziemlich«, gab ich zu. Ich griff nach meiner Tasse. Nicht, weil ich Durst hatte, sondern weil ich etwas brauchte, an dem ich mich festhalten konnte. Rin lehnte sich mit dem Rücken an die Wand, schloss die Augen und begann zu erzählen.
    »Ich bin kein Mensch. Aber das hast du bestimmt schon vermutet. Ich gehöre einem uralten Stamm an, der vor langer Zeit ein Bündnis mit den Zorwaya schloss. Wir nennen uns Ti’tibrin E’neya. Niemand weiß, woher unsere Vorfahren kamen. Es heißt, dass sie die Wälder der nördlichen Lande lange vor der Ankunft der ersten Menschen für sich erschlossen. Die Geschichten unserer Ahnen erzählt man sich an langen Abenden am Lagerfeuer oder beim jährlichen Erntefest. Eine dieser Legenden handelt von einem Krieger namens Callas, nach dem unser Dorf benannt wurde,

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