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Schattenreiter

Schattenreiter

Titel: Schattenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Nikolai
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Onpatoks Stimme in seinem Kopf. All jene, die deines Blutes sind, sollen ein langes Leben haben und meine Kraft in sich tragen.
    Callas erhob sich, um Onpatok zu streicheln, aber seine Hand ging durch ihn hindurch. Er war ein Zorwaya geworden. In dem Moment trat Onpatok auf ihn zu und vereinte sich mit seinem Freund. Callas spürte, wie seine Kräfte zurückkehrten und sein Körper sich wandelte. Er wuchs, wurde stärker und schneller. Onpatok und er waren nun eins. Und Callas, der geglaubt hatte, den nächsten Morgen nicht zu sehen, lebte noch ein langes Leben, bevor er in die ewigen Jagdgründe eintrat.«
    Rin nahm einen kräftigen Schluck aus seiner Tasse und befeuchtete seine Lippen. Ich rührte mich nicht, konnte nicht einmal etwas sagen. Die Geschichte klang unglaublich, und doch schien sie wahr zu sein, wie alles, was er mir erzählt hatte.
    »Hevova und ich sind die Nachfahren Callas’.«
    Allmählich fügte sich das Puzzle zusammen, und ich begann zu verstehen. »Es ist Onpatoks Stärke, die dich vor Sid schützte, und seine Heilkraft, die deine Wunde so schnell schloss.«
    Er nickte. »Seine Stimme, die durch mich mit den Krähen spricht. Und sein Körper, den du im Wasser sahst. Alle Ti’tibrin E’neya besitzen die Gabe, sich mit den Zorwaya der Onpatoks zu vereinen.«
    »Das ist … wirklich fantastisch. Aber warum versteckt ihr euch? Warum haltet ihr diese Fähigkeiten geheim?«
    »Unsere Geschichte ist sehr lang und sehr traurig. Wir haben aus ihr gelernt. Die Ti’tibrin können nur dann in Frieden leben, wenn sie sich von euch fernhalten. Aber das war nicht immer so. Als die ersten Menschen kamen, die ihr heute Indianer oder Ureinwohner nennt, entwickelte sich eine tiefe Freundschaft. Wir lernten voneinander, übernahmen Bräuche, betrieben Handel mit Waffen, Schmuck und dem Fleisch der Tiere, die wir erlegten. Ohne sie wären wir heute nicht die, die wir sind. Sie ehrten unsere heiligen Stätten in Hokatriri, wo wir unsere Toten begraben. Sie kamen, um ihnen die letzte Ehre zu erweisen und sie mit ihrem Gesang auf ihrer Reise zu den Sternen zu begleiten. Nie gab es einen Grund für Krieg. Das Land bot alles, was wir und sie brauchten. Und davon reichlich.
    Aber dann kamen die Siedler. Sie gaben sich als Freunde aus, zeigten Interesse an unserer Tradition. Auch sie wollten handeln, allerdings hatten sie es auf etwas anderes als Tontöpfe oder Ohrringe abgesehen. Sie wollten unser Land und gaben den Männern und Frauen der Stämme Alkohol, um ihre Sinne zu vernebeln. Verträge wurden unterzeichnet, aber keiner von ihnen wusste, was darinstand. Plötzlich sollten sie ihre Heimat verlassen, sich woanders ansiedeln. Als den Stammeshäuptern klar wurde, was sie an die Siedler verkauft hatten, versuchten sie, den Handel rückgängig zu machen. Das Land war ihrer Ansicht nach ein freies Land, das niemandem gehörte und somit auch nicht verkauft werden konnte. Doch die Siedler sahen das anders. Sie hielten an den Verträgen fest und verteidigten ihren neuen Besitz mit Waffengewalt. Die Kriege waren blutig. Unzählige starben in dieser grausamen Zeit. Die Ti’tibrin E’neya hatten sich lange aus dem Zwist herausgehalten. Ihnen genügte ihr Dorf in den Wäldern. Als sie jedoch erfuhren, was ihren Verbündeten von den Siedlern angetan wurde, schritten sie ein und schlugen sich auf ihre Seite.
    Das hatte zur Folge, dass die Siedler Jagd auf die ›Kentauri‹, wie sie uns nannten, machten. Sie schossen uns mit ihren Büchsen nieder, fingen uns in ihren Fallen. Viele von uns starben, denn mit Pfeil und Bogen konnten sie gegen die neue Technik nichts ausrichten. Schließlich blieb nur eine kleine Zahl von uns übrig. Von den Siedlern aber kamen mehr mit ihren Schiffen an. Ein nie enden wollender Strom.
    Sie verwüsteten das Land, bauten Städte, zerstörten die Wälder. Wir waren zu geschwächt, um sie aufhalten zu können. Uns blieb nur der Rückzug nach Ven’Callas, wo wir bis heute leben. Die Bäume schützten uns, sie wuchsen eng um unsere Häuser, bildeten mit ihren Stämmen und Zweigen, Ästen und Kronen eine natürliche Mauer. Die Siedler suchten vergeblich nach uns, und schon bald gerieten die Geschichten über die Ti’tibrin E’neya in Vergessenheit.«
    Ich schluckte hörbar. Wie grausam und blutig diese Geschichte war! Die Ti’tibrin E’neya hatten allen Grund, die Menschen zu hassen, die ihr Volk fast ausgerottet hätten. Und doch kamen bei mir nur neue Fragen auf.
    »Ich verstehe, warum sich

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