Schattenreiter
kämen nun schneller vorwärts als auf dem Hinweg. Schon bald konnten wir unsere Zelte sehen. Die Bauchschmerzen wurden schlimmer. Ich kroch in meinen Schlafsack, während Pway seinen Rucksack durchwühlte. »Ich finde das blöde Schmerzmittel nicht. Hoffentlich habe ich es nicht zu Hause vergessen.«
»Es geht schon«, murmelte ich.
Pway legte mir die Hand auf die Stirn und erschrak. »Du hast ja Fieber!«
Ich hatte davon nichts gemerkt. Mir war nur eisig kalt.
»Vielleicht ist es besser, wenn ich dich ins Krankenhaus bringe.«
»Nein. Wird schon wieder. Ehrlich.«
»Na schön«, gab Pway nach. »Aber wenn es dir schlechter geht, sagst du Bescheid, versprochen?«
Ich nickte und schloss kurz die Augen. Als ich sie wieder öffnete, züngelten die Flammen des Lagerfeuers vor mir auf. Wollte Pway mich nicht zu den Zelten zurückbringen? Warum stand ich dann noch immer auf dem Festplatz nördlich des Sheridan Lakes?
Der Tänzer suchte meine Aufmerksamkeit, indem er demonstrativ auf mich deutete. Seine Bewegungen waren so kraftvoll, so geschmeidig und präzise, dass ich ihn für seine unglaubliche Körperbeherrschung nur bewundern konnte. Die Flammen schossen immer höher, und es gelang ihm dennoch jedes Mal von neuem, über sie zu fliegen. Seine schwarzen Haare wehten. Mädchen jubelten.
Dann stand er dicht vor mir. Fast berührten sich unsere Lippen. Mir war unendlich heiß. Ich spürte die Flammen auf meiner Haut. Es brannte nicht, aber die Hitze war unerträglich. Alles wiederholte sich. Er tanzte immer weiter und weiter. Und die Leute jubelten ohne Unterlass.
Ich schrak aus dem Schlaf hoch.
»Alles in Ordnung?«, fragte Pway. Und schon war ich wieder auf der Feier, und der Tänzer verführte mich mit seinen feurigen Augen. Ich spürte instinktiv, dass etwas nicht stimmte, aber ich konnte es nicht greifen.
»Was machen wir nur?«, hörte ich Ira. Aber ich konnte sie nirgends sehen.
»Sie fiebert schon die ganze Nacht.«
»Fass mal ihre Stirn an.«
»Die ist immer noch heiß.«
»Wir sollten einen Krankenwagen rufen.«
Der Tänzer fuhr sacht meine Taille hinauf, ließ sein Becken kreisen, bewegte es anzüglich vor meinen Augen, als wollte er mich verführen. Oh, diese Hitze. Mein Blut kochte bereits. Schweiß rann mir über die Stirn.
Seine Lippen. Ich konnte sie fast schmecken. Nur ein winziges Stück fehlte, und unsere Münder würden ineinanderfließen. Süß, sinnlich, herb. Er roch nach Wald und Pferd.
Plötzlich stieß er einen Schrei aus, der mich zusammenzucken ließ. Keuchend sank er vor mir auf die Knie. Ein Tomahawk steckte in seinem Rücken. Erschüttert wich ich zurück. Blut quoll aus der Wunde, floss über seinen zuckenden Körper. Ein roter See bildete sich unter ihm.
Niemand tat etwas, alle standen nur um das Feuer herum und starrten den jungen Mann an. Der brach zu meinen Füßen zusammen, rollte sich zur Seite und versuchte mit beiden Händen, den Tomahawk zu erreichen, ihn aus seinem Rücken zu ziehen, doch sie reichten nicht heran.
»Helft ihm doch«, rief ich.
»Jorani, bist du wach?«
Er drehte den Kopf zur Seite. Jetzt erkannte ich sein Gesicht. Es war Rin! Erschrocken taumelte ich zurück.
»Nein!«, schrie ich auf und schlug die Hände auf die Brust. Das konnte nicht sein! Rin war nicht auf dem Fest, er war in seinem Dorf, in Sicherheit. Aber wieso lag er dann zu meinen Füßen?
Seine Augen waren weit aufgerissen. Blut rann aus seinem Mund und sickerte in die Erde. Hinter ihm sprang ein weiterer Tänzer über das Feuer. Er beachtete den Sterbenden nicht.
»Jorani, wach auf, du träumst!«
Jemand griff nach meinen Schultern und rüttelte mich.
»Jorani?«, rief Pway.
Mir war schlecht. Ich stieß ihn zur Seite und taumelte aus dem Zelt. Pway und die anderen folgten mir. Ich konnte mich nicht länger auf den Beinen halten, sank auf die Knie und übergab mich in ein Gebüsch.
Was für ein Alptraum! Das alles war so echt gewesen! Der Tänzer hatte wie Rin ausgesehen. Doch nur für den Moment, in dem er am Boden gelegen hatte. Mein Herz raste. Ein zweiter Schwall Übelkeit stieg in mir hoch.
Was hatte das nur zu bedeuten?
Rin, am Boden, in einer Blutlache. Ein Tomahawk, der in seinem Rücken steckte. Seine starren Augen, die in die Ferne blickten, mich nicht mehr erkannten. Oh Gott.
Pway stand neben mir und half mir auf. Erst jetzt merkte ich, dass bereits helllichter Tag war. Ira und Jack standen dicht hinter ihm. Sie waren vor Sorge um mich kreidebleich.
»Mir
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