Schattenreiter
in dem der Tänzer eine Hauptrolle spielte. Jedes Mal verwandelte er sich in Rin, der vor meinen Augen zusammenbrach. Nur das Fieber blieb aus.
»Verdammt, was soll das?«, schrie ich den Fremden an, als ich ihm wieder gegenüberstand. Aber der Ablauf veränderte sich nicht. Ich konnte ihn nicht beeinflussen. Das brachte mich so in Rage, dass ich vor Wut schrie. Nicht nur im Traum. Auch in der Wirklichkeit hallte mein Schrei durch das ganze Haus.
»Jorani, was ist denn los?«, fragte Abigail aufgelöst,die schnell zu mir hochgekommen war. Ich weinte. Die Haare klebten mir schweißnass am Kopf. Es dauerte nicht lange, da hatte auch ein Zittern meinen ganzen Körper erfasst.
»Ich träume andauernd dasselbe«, sagte ich und schluchzte. Ich fühlte mich hilflos, fast ohnmächtig, weil ich diese Träume nicht abschalten konnte.
Meine Tante setzte sich zu mir ans Bett und nahm mich in den Arm. »Sssht, ganz ruhig. Ist doch nur ein Traum, Kleines.«
Vielleicht war es aber mehr als das?
Es fühlte sich echt an. Verdammt echt.
Nachdem ich mich beruhigt hatte, begleitete ich meine Tante ins Café hinunter und versuchte, mich durch ein Kartenspiel mit Roger abzulenken. Inzwischen war ich so weit bei Kräften, dass ich mir das zutraute.
»Du bist unkonzentriert«, stellte Roger fest, als er zum fünften Mal hintereinander gewann. Doch es ging mir gar nicht darum zu gewinnen. Ich wollte nur nicht allein sein, fürchtete mich vor den Träumen und davor einzuschlafen.
Das war auch der Grund, warum ich das Zubettgehen so lange wie möglich hinauszögerte. Ich spürte instinktiv, dass der Traum zurückkehren würde.
Es ist doch nur ein Traum, hallten Abigails Worte in meinen Ohren nach. Aber tief in meinem Innersten wusste ich, dass es mehr war als das. Es war eine Botschaft. Eine Vision. Ich weiß nicht, wie ich diese Nacht überstand, doch am nächsten Morgen fühlte ich mich wie gerädert. Ich lag den ganzen Tag im Bett, döste immer wieder ein und wachte schließlich schweißgebadet am Abend auf. Erneut hatten mich schlimme Alpträume geplagt. Das war nicht mehr normal! Ich musste irgendetwas unternehmen. So konnte es nicht weitergehen. Ich merkte, dass sich meine Tante schrecklich sorgte. Meine schlechte Verfassung gab zugegebenermaßen allen Anlass dafür.
»Möchtest du nicht doch zum Arzt gehen?«, fragte sie mich und stellte Tee und Kuchen auf meinen Tisch.
»Der kann mir auch nicht helfen.«
»Und woher willst du das wissen?«
Ich zuckte mit den Schultern. Was sollte der schon tun? Mir Beruhigungspillen verschreiben? Danke, darauf konnte ich verzichten. Es gab nur eine Person, die mir in dieser Situation wirklich helfen konnte. Die wusste, was zu tun war. Und ich beschloss, ebendiese Person aufzusuchen und um Rat zu fragen. Nachdem das Café geschlossen und meine Tante zu Bett gegangen war, schlüpfte ich in Jeans und T-Shirt und schlich mich hinaus. Ganz leise, damit ich Abigail nicht aufweckte. Sie würde es mir verbieten, in meinem Zustand jetzt noch rauszugehen.
Ich wusste, dass es eigentlich viel zu spät war, um bei ihm zu klingeln, aber ich hatte keine andere Wahl. Ich musste ihn unbedingt sprechen. Wenn es jemanden gab, der mir helfen konnte, dann war es Roy.
Leise öffnete ich das Gartentor, das er glücklicherweise nicht abgeschlossen hatte, und ging den Sandweg zum Haus hinauf. Ich klingelte. Ein schriller Signalton ließ mich zusammenschrecken. Trotz der Lautstärke reagierte niemand. Nur ein Hund bellte auf der anderen Seite der Tür. Seufzend klingelte ich ein zweites und sogar ein drittes Mal. Dann vernahm ich Schritte, die sich rasch näherten.
Abrupt wurde die Tür aufgerissen, und Roy im Schlafanzug starrte mich mürrisch an.
Ich wich instinktiv zurück.
»Jorani?«, fragte er ungläubig.
»Bitte entschuldigen Sie die späte Störung. Ich wollte Sie nicht wecken.«
»Das hättest du dir überlegen müssen, bevor du hier Sturm klingelst.«
»Was ist denn los, Darling?«, war von oben zu hören.
»Meine Frau«, warf Roy erklärend ein.
»Ich muss Sie sprechen. Es geht um Rin, und es ist dringend.«
»Ich hätte mich nicht in eure Angelegenheiten einmischen sollen. Jetzt hab ich den Salat«, sagte er verärgert. Dann verdrehte er die Augen, als hätte er genau das kommen sehen.
»Alles in Ordnung, Liebling«, rief er zurück und schloss die Tür hinter sich.
»Setzen wir uns in den Garten.«
Drinnen tobte noch immer der Hund, als wir uns vom Haus entfernten. Roy bot mir einen
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