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Schattenreiter

Schattenreiter

Titel: Schattenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Nikolai
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Zerspringen, näher konnte ich ihm nicht sein. Da drückte sich eine Steinkante in meinen Rücken.
    »Autsch.« Ich stöhnte leise auf.
    Rin rollte uns zur Seite, bis er unten und ich oben lag. Nun konnte ich ihn in seiner ganzen Pracht bewundern, seinen außergewöhnlichen Körper, sein wunderschönes Gesicht, sein seidiges Haar, das bei Nacht rabenschwarz glänzte. Er war perfekt.
    Etwas in mir jubilierte, weckte Energien. Ein warmer und zugleich elektrisierender Strom floss durch mich in ihn und zurück. Rins Hände strichen durch die Luft, als zeichneten sie ebendiesen Fluss nach. Ich war nicht sicher, ob er ihn lediglich erspürte oder sogar sehen konnte. Wir wuchsen zusammen, verschmolzen zu einem Wesen, und tatsächlich meinte ich zu fühlen, was er fühlte. Als steckte ich in meinem und seinem Körper zugleich. Alle Energien strömten einem Ziel entgegen, sammelten sich in unserem Zentrum, das Teil unserer beiden Körper war. Ob sie das meinten, wenn sie von Malhamota sprachen? Ich jedenfalls glaubte, dass dieser Moment bedeutsam war.
    Unsere Körper bewegten sich, schmiegten sich aneinander, lösten sich wieder, um sich erneut zu vereinen. Ich schaute in sein Gesicht, sah dort sein Verlangen, seineLiebe und seine Lust. Ein letztes Zucken, und ich spürte eine Explosion in meinem Inneren, die mich ihm in die Arme warf.
    Erschöpft blieben wir aufeinander liegen. Ich lauschte dem Schlag seines Herzens, genoss den vertrauten Rhythmus. Kühl strich der Wind über meinen Rücken. Allmählich kam mein Körper wieder zur Ruhe, mein Atem regulierte sich. Aber das Band war aktiv, in Bewegung, ein ständiger Austausch von Energie. Es war stärker als zuvor und würde weiterwachsen wie ein Pflänzchen, das zu einem mächtigen Baum wurde. Ich rollte mich zur Seite, tastete nach meinen Sachen und streifte sie über. Mir war kalt.
    Rin nahm meine Hand und lächelte mich voller Liebe an. »Ich werde dich nie mehr verlassen, Jorani.«
    Ich lachte leise, obwohl mir nicht zum Lachen zumute war. Ganz im Gegenteil. Er erinnerte mich an etwas Unvermeidliches.
    »Was ist?«, fragte er verwundert.
    »Ich bin bald wieder in Berlin, und du bist hier.« Wehmut stieg in mir auf. Ich fürchtete den Tag meiner Abreise, den ersten Morgen, an dem ich in Berlin erwachen würde. Unendlich weit von Calmwood und Rin entfernt. Der Gedanke schmerzte jetzt schon. Und doch wollte ich mir diesen Abend nicht verderben.
    »Nein.« Seine Augen glänzten. »Ich bin hier.« Vorsichtig legte sich eine große Hand auf meine Brust. Mein Herz schlug sacht gegen seine Handfläche. »Das ist es, was Malhamota ausmacht.«
    Ich berührte seine Hand und drückte sie. »Ich spüre es.« Seit unserer ersten Begegnung hatte ich es wahrgenommen, es zuerst nicht beachtet, ihm keine Bedeutungbeigemessen, aber nun war ich mir sicher, dass uns etwas verband. Es war stark und mächtig. Trotzdem war es nicht dasselbe wie ein Rin aus Fleisch und Blut, den ich anfassen, den ich küssen konnte.
    »Sei nicht traurig, Malhamota. Das Schicksal findet immer einen Weg.«
    Ich wollte etwas erwidern, ihm sagen, dass ich nicht an Schicksal, sondern daran glaubte, dass jeder Mensch seinen Weg selbst bestimmte, als sich die winzigen Steinchen auf dem Felsvorsprung, auf dem wir lagen, bewegten. Irritiert beobachtete ich, wie sie ein Stück weit in die Luft sprangen.
    »Was ist das?«, fragte ich verwundert, da begann der steinerne Untergrund unter uns auch schon zu vibrieren. Erst schwach, dann immer stärker. Das Wasser rauschte unruhig, Vogelschwärme zogen in Windeseile über den Himmel, als wären sie auf der Flucht vor einem Raubvogel. Aus dem Wald erklang der Ruf eines Horns. Erschrocken blickte ich zu Rin. Wir wussten beide, was das bedeutete. Kronn war in der Nähe.
    »Wir müssen fort«, sagte ich ängstlich und suchte nach meinen Schuhen, die ich vorhin abgestreift hatte.
    Plötzlich preschte etwas Gewaltiges zwischen den Bäumen hervor und schoss direkt auf uns. Es war riesig. Viel größer als jeder Kentaur, den ich je zuvor gesehen hatte.
    »Okbroro!«, schrie eine Männerstimme. Sie klang unheilvoll, wie Donner. Rin zog mich hoch und wollte mit mir zur Seite springen, als ein Seil durch die Luft flog. Es schlang sich wie ein Lasso um meinen Oberkörper, und ehe Rin oder ich reagieren konnten, war der Kentaur in einem einzigen kräftigen Satz über den Felsvorsprung hinweggesprungen und riss mich an dem Seil mit sich indie Tiefe. Ich schrie. Aber mein Schrei wurde

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