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Schattenreiter

Schattenreiter

Titel: Schattenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Nikolai
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Kreischend riss es mit seinen Klauen an seinen Haaren und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Er versuchte, es mit den Armen wegzuschlagen, geriet ins Straucheln und bekam das dumpfe Ende des Speers ins Gesicht. Ein Stöhnendrang zu mir herüber. Er hielt sich den schmerzenden Kopf, während der Geier zum Angriff ansetzte.
    Kronn nutzte seinen Vorteil und schlug mit den Hinterläufen gegen einen Baumstamm, der sich dicht über den Boden neigte. Irgendwann musste ihn ein Blitz zum Teil entwurzelt haben. Jetzt hielt er sich nicht mehr fest genug im Erdreich, um Kronns Angriff standzuhalten. Der Stamm knarrte gefährlich.
    »Rin … zur Seite«, wollte ich rufen, ihn warnen, während er durch den kampfwütigen Geier abgelenkt war. Aber es kam nur ein Ächzen aus meiner Kehle. Ich sank auf die Knie, konnte mich nicht länger auf den Beinen halten.
    Doch dann gelang es Rin, den Geier mit einem Schlag fortzuscheuchen. Er taumelte durch die Luft, ließ Federn und flüchtete ins Unterholz.
    In dem Moment verloren die Wurzeln des Baumes ihren letzten Halt. Ein riesiger Schatten schob sich über Rin. Der schoss nach vorn, in der Absicht, dem umstürzenden Stamm auszuweichen, aber der mächtige Koloss näherte sich in bedrohlicher Geschwindigkeit dem Erdreich und riss Rin zu Boden, begrub seine Hinterläufe unter sich. Der Aufprall erschütterte die Erde.
    Rin stöhnte gequält auf und versuchte, sich unter dem Stamm hervorzuwinden, dessen Gewicht ihn jedoch erbarmungslos niederdrückte. Seine Hände bohrten sich in die Erde, um sich unter dem Stamm hervorzuziehen. Kronn trat lachend vor ihn.
    Der Größenunterschied zwischen beiden Kentauren war enorm. Kronn wirkte wie ein Riese. Sein Pferdeleib war so gigantisch, dass er Rin fast vollständig verdeckte. Man sah ihm an, dass er ein Arou-newe, ein Krieger undJäger war. Kronns Vorderhuf schlug dicht neben Rins Kopf auf. Mir stockte der Atem. Wenige Zentimeter weiter rechts, und er hätte Rins Schädel zertrümmert. Der Gedanke schnürte mir die Kehle zu. Ich hatte so große Angst um ihn. Wenn ich doch nur etwas tun könnte.
    »Rin, du Schande der Ti’tibrin«, sagte Kronn in gebrochenem Englisch, offenbar wollte er, dass ich jedes Wort verstand. »Ich euer Treiben beobachte. Der Geier mein Auge und Ohr gewesen. Wie ich gehofft, du nach Me’solbrem zur Vernunft würdest kommen. Doch du ein elender Okbroro, ein Verräter bist!«
    »Was Jorani und mich verbindet, wirst du niemals verstehen«, sagte Rin, und seine Stimme klang angestrengt.
    Kronn schüttelte angewidert den Kopf. »Du die Mühe nicht wert«, erwiderte er abschätzig und wandte sich langsam von Rin ab, kam auf mich zu und warf den Speer achtlos zur Seite, um das Seil aufzuheben. Ich wich vor ihm zurück, aber schon verließen mich meine Kräfte wieder.
    »Ich verstehe sehr gut, Rin. Ihr eine Verbindung habt. Wenn ich ihr schrecklichen Schmerz zufüge, dich das quälen wird.« Er lachte erneut.
    »Jorani, lauf!«
    Rin stemmte sich mit aller Kraft gegen den mächtigen Stamm. Der bewegte sich kaum. Lediglich das Laub raschelte durch die ruckartigen Bewegungen, Rin sank erneut zusammen.
    Ich versuchte, mich auf die Beine zu ziehen. Vergeblich. Ich fühlte sie nicht mehr. Alles, was ich spürte, war ein unerträglicher Schmerz, der durch meinen gesamtenmalträtierten Körper schoss. Meine Wunden brannten wie Feuer, hörten nicht auf zu bluten.
    Kronn stand dicht vor mir. Er verengte die Schlaufe des Seils und warf sie über einen Ast direkt über mir.
    »Warum tust du das?«, brüllte ich ihn in einem Anfall von Wahnsinn an. »Was ist dein verdammtes Problem?« Tränen liefen mir über die Wangen. Ich wollte nicht sterben!
    Er lachte mich aus, und das klang wie der Donner eines nahenden Unwetters. »Du das Problem sein. Du und deine Art. Menschen zerstörten das Land. Sie raubten. Plünderten. Töteten. Ihr nie genug werdet bekommen. Heilige Stätten ihr entehrtet. Unsere Toten ihr ausstellt. Jetzt ihr werdet bezahlen. Weißt du, wie Menschen die Ti’tibrin getötet?« Sein Blick war kalt und voller Hass. Ich schüttelte geschwächt den Kopf.
    »Sie an die Bäume gehängt wurden. Ihre Kadaver nicht begraben. Tiere sie fraßen.«
    »Kronn, die Menschen haben sich verändert«, hörte ich Rin rufen. »Sie sind nicht mehr wie die Siedler.«
    »Nein! Sie immer noch arrogant sind. Sie zerstören, was in ihrem Weg ist. Aber dieses Mal sie nicht gewinnen werden.« Er zog die Schlaufe nach unten und streifte sie mir über den

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