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Schattenriss

Schattenriss

Titel: Schattenriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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sie nach einer Weile scheinbar zusammenhanglos. »Aber in einem Punkt bin ich mir ganz sicher: Er hat wirklich keine Ahnung, was hier vorgeht.«
    Verhoeven betrachtete den Lappen, mit dem Inger Lieson die verschüttete Asche weggewischt hatte. So wenig sachlich begründbar das, was die Bankiersgattin da eben gesagt hatte, auch sein mochte – er glaubte ihr. Vielleicht, weil er spürte, dass sie eine Frau war, die über gute Instinkte verfügte. Vielleicht auch, weil er selbst aus irgendeinem unerfindlichen Grund nicht daran glaubte, dass es um Lieson ging.
    Als er das entfernte Schnappen der Haustür hörte, wandte Verhoeven automatisch den Kopf. Und auch Inger Lieson hielt mitten in einer Bewegung inne und blickte an ihm vorbei Richtung Diele.
    Ein paar Augenblicke später sahen sie Werner Brennicke den Flur hinunter eilen. Der BKA-Mann war schon fast an der Küche vorbei, als ihm schlagartig bewusst zu werden schien, dass er dort jemanden gesehen hatte. Also kam er zurück und schob den Kopf um die Ecke wie eine bebrillte Schildkröte.
    »Verhoeven?«
    »Ja.«
    »Kann ich Sie einen Augenblick sprechen?«
    Beiden Beteiligten war klar, dass es sich nicht um eine Frage oder gar einen Vorschlag handelte, also warf Verhoeven Inger Lieson einen entschuldigenden Blick zu und trat schicksalsergeben auf den Flur hinaus. »Selbstverständlich.«
    »Gehen wir ein paar Schritte.«
    Verhoeven folgte dem BKA-Mann ein Stück die Diele hinunter.
    »Na, wie geht’s Ihnen?«, fragte Brennicke, ohne auch nur den leisesten Versuch zu unternehmen, so etwas wie Anteilnahme zu suggerieren. »Halten Sie’s aus?«
    »Was bleibt einem übrig?«
    »Sicher doch, natürlich.« Die kleinen Augen hinter den eckigen Brillengläsern funkelten im Licht der Deckenbeleuchtung, die überall im Erdgeschoss seit den frühen Morgenstunden brannte. »Ich will auch gar nicht lange um den heißen Brei herumreden. Sie haben diese Farce da eben ja selbst mitbekommen ...«
    Ganz im Gegensatz zu Ihnen, dachte Verhoeven, doch äußerlich verzog er keine Miene.
    »... und als unmittelbar Betroffener werden Sie diesen Zirkus wahrscheinlich noch eine ganze Spur dramatischer empfunden haben als die anderen.«
    Als unmittelbar Betroffener ...
    Verhoeven schluckte. Die Formulierung traf seine innersten Gefühle, auch wenn ihm bewusst war, dass Werner Brennicke nur mit ihm spielte. »Es war für uns alle nicht angenehm«, sagte er.
    Der BKA-Mann überging die Bemerkung mit einem mitleidigen Lächeln. »Sie sind Sportler, was?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Immer fair und immer im Team.«
    »Spricht aus Ihrer Sicht irgendwas dagegen?«, fragte Verhoeven, auch wenn er das dringende Gefühl hatte, dass er am besten seine Klappe hielt.
    Brennickes Lächeln erstarb. »Verstehen Sie mich nicht falsch, ich habe durchaus nichts gegen Teamgeist. Aber da ist eine Frage, die ich Ihnen stellen möchte.«
    »Ja?«
    »Sind Sie mit der Art und Weise der Verhandlungsführung einverstanden gewesen?«
    Nicht ungeschickt, dachte Verhoeven. Er vermeidet es, Goldstein explizit zu nennen, damit ich mich leichter tue, ihn ans Messer zu liefern. Denn darauf lief diese Sache zweifellos hinaus. »Die Richtigkeit oder Nicht-Richtigkeit der Vorgehensweise eines Kollegen zu beurteilen, steht mir nicht zu.«
    Brennicke schob den Kopf noch ein Stück weiter vor, und wieder musste Verhoeven an eine Schildkröte denken. »Warum nicht?«
    »Weil ich nicht ausgebildet bin auf diesem Gebiet.«
    Zu Verhoevens Überraschung brach Werner Brennicke im Angesicht dieser Antwort in ein durchaus echt anmutendes Gelächter aus. »Oh ja«, erwiderte er. »Ich habe schon gehört, dass Ihr Ehrgeiz nicht der ausgeprägteste ist.«
    Verhoeven sah dem BKA-Mann direkt in die Augen, auch wenn er ihn am liebsten mitten auf dem Flur hätte stehen lassen. »Das hier hat nichts mit Ehrgeiz zu tun«, antwortete er, so ruhig er eben konnte. »Weder mit meinem noch mit Goldsteins noch mit irgendjemandes sonst. Es geht ganz einfach um sieben Menschenleben.« Verhoeven blickte über seine Schulter hinweg zur Küchentür, die Inger Lieson sich eben zu schließen anschickte. »Ich habe ganz bestimmt kein Problem damit, meine Meinung zu äußern oder Verantwortung zu übernehmen«, setzte er hinzu, als er mit einiger Verwunderung registrierte, dass Werner Brennicke ihm noch immer zuhörte. »Aber ich weiß recht gut, von welchen Dingen ich etwas verstehe und von welchen nicht. Und sich in Fragen, von denen man nichts versteht, auf

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