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Schattenriss

Schattenriss

Titel: Schattenriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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eigenes Tun quasi von außen betrachte. Sie sah ihre Hand nach der Waffe greifen und routiniert das Magazin herausnehmen, während der Raum um sie herum noch dunkler wurde, als er ohnehin schon war. Dunkler und wärmer. Zugleich vertiefte sich die Stille.
    Aber ...
    Winnie Heller erstarrte.
    Waren das nicht Schritte, dort draußen, auf dem Mörtel? Kam da nicht jemand? Oder war es nur ihre Phantasie, die ihr einen Streich spielte? Ihre Angst, die eigene Wege ging?
    Sie biss sich auf die Lippen und vergewisserte sich in aller Eile, dass das Magazin tatsächlich voll und die Waffe durchgeladen war, bevor sie die Pistole, ohne noch eine Sekunde länger zu überlegen, unter ihre Fleecejacke schob und die Schublade wieder schloss.
    »In den Taschen ist nichts, das uns irgendwie weiterhelfen würde«, flüsterte Quentin Jahn dicht hinter ihr, und mit einem Mal fühlte Winnie Heller auch wieder die Kälte, die überall in diesen Räumen herrschte. »Und wie sieht’s bei Ihnen aus?«
    Zieh ihn nicht ins Vertrauen. Du weißt doch im Grunde gar nicht, wer er ist.
    Sie schüttelte den Kopf. »Leider auch nichts.«
    Die klugen grauen Augen des Zeitschriftenhändlers verweilten einige quälend lange Augenblicke auf ihrem Gesicht. Dann blickte er an ihr vorbei zur Tür. »Und jetzt?«
    »Ich denke, es ist das Beste, wenn wir wieder nach unten gehen«, antwortete Winnie Heller nach einem Moment des Nachdenkens.
    »Und Mousa?«
    »Mehr als rufen können wir nicht, oder?«
    Quentin Jahn schob fröstelnd die Hände in die Taschen seiner Cordhose. »Es ist wahrscheinlich wirklich nur eine Frage der Zeit, bis die Kerle zurückkommen«, stimmte er ihr mit einem leisen Zögern in der Stimme zu. »Und wenn wir jetzt wieder zu den anderen gehen, merkt keiner, dass wir überhaupt hier oben gewesen sind.«
    Oh, nein, ganz bestimmt nicht, dachte Winnie Heller bei sich, sie werden annehmen, dass sich ihre Ersatz-Pistole einfach in Luft aufgelöst hat!
    »Andererseits ...«
    »Was?«
    Ihr Begleiter blieb mitten in der Türöffnung stehen. »Hat Abresch nicht gesagt, dass er ein Handy hatte?«
    Das war ihm also nicht entgangen, sieh an! »Ja«, sagte sie. »Und?«
    »Wenn das noch irgendwo hier herumläge ...«
    Wenn diese Männer nur halb so klug sind, wie ich glaube, dachte Winnie Heller, dann haben sie schon auf dem Weg hierher den Akku und die Chipkarte entfernt und alles in irgendeine Mülltonne geworfen. Die sind auf keinen Fall so dumm und
bewahren etwas auf, das sich anpeilen ließe. Laut sagte sie:
»Aber wir haben doch alles durchgesehen. Hier ist kein Handy.«
    »Vielleicht in einem der angrenzenden Räume.«
    »Sie meinen, wir sollten uns die Zeit nehmen, danach zu suchen?«
    Quentin Jahn zuckte die Achseln. »Es wäre eine Chance.« »Und wenn sie uns erwischen?«
    »Dann sagen wir, dass wir auf der Suche nach ihnen sind ...«
    Das wird bei Bernd ganz sicher viel nützen, dachte Winnie Heller sarkastisch. Ich wette, der Kerl hat uns schon eine Kugel in den Kopf geschossen, bevor wir auch nur dazu kommen, den Mund aufzumachen!
    »Also gut«, sagte sie, während sich die Pistole unter ihrer Jacke von einem Moment auf den anderen in Blei verwandelt zu haben schien. Blei, das sich noch dazu verdächtig nach außen wölbte. »Wie wollen wir vorgehen?«
    »Das Beste wird sein, wenn wir uns trennen.« Die grauen Augen spähten an ihr vorbei in das Dunkel, das sich vor ihnen ausbreitete wie eine Wand. »Ich nehme die mittlere Tür. Und Sie schauen nach, was da rechts ist, einverstanden?«
    Da rechts ist Bernds Privat-Pissoir, gab Winnie Heller dem Zeitschriftenhändler in Gedanken zur Antwort, aber sie hielt ihren Mund und nickte nur. Besser, sie ließ Quentin Jahn seinen Willen. Immerhin war der Augenblick nicht gerade günstig, um aufzufallen. Winnie Heller schielte an sich hinunter. Zeichnete sich da etwa tatsächlich dieses verdammte Griffstück ab? Du hast sie ja wohl auch nicht alle beisammen, die Waffe an dich zu nehmen! Was denkst du denn, wie viel du ganz allein mit dieser winzigen Pistole ausrichten kannst? Gegen vier Geiselnehmer, die bis an die Zähne bewaffnet sind!
    »Falls einer von uns was entdeckt, hustet er, okay?«, riss Quentins Stimme sie aus ihren Selbstvorwürfen.
    »Einverstanden.« Winnie Heller hielt inne und lauschte. Aus irgendeinem Grund hatte sie plötzlich das Gefühl, als ob sich etwas nähere. Etwas, vor dem sie auf der Hut sein sollten. Aber ihre Ohren wurden nicht fündig. Jenseits des Flackerns war es

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