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Schattenriss

Schattenriss

Titel: Schattenriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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nicht einverstanden, oder?«
    »Nein«, entgegnete Verhoeven. »Das bin ich nicht.«
    »Was hätte ich Ihrer Meinung nach anders machen sollen?« Das ist perfide!, dachte Verhoeven. Die Sache hat funktioniert, also gibt der Erfolg ihm recht. »Es hätte auch schiefgehen
    können«, sagte er und kam sich unendlich hilflos dabei vor. »Ja«, räumte Goldstein ein. »Das kann es immer.«
    »Teja hätte auflegen können ...«
    »Hat er aber nicht.«
    »Das konnten Sie nicht wissen.«
    Goldstein griff sich mit einer Hand in den Nacken und massierte seine Schultermuskulatur, die offensichtlich wehtat. »Vielleicht doch.«
    Verhoeven roch Pfefferminz. Eine junge Frau starb, weil Richard Goldstein Phasen hat, in denen er sich für Gott hält. »Und was war mit dieser ... Geschichte von damals?«, fragte er, indem er bewusst provokant auf Goldsteins Basecap deutete. »Haben Sie da auch im Voraus gewusst, wie der Geiselnehmer reagieren würde?«
    »Das hier ist eine andere Sache«, sagte Goldstein.
    »Ach ja?« Verhoeven verschränkte die Arme vor der Brust, aber es war keine Geste des Rückzugs. »Inwiefern?«
    »Damals hatten wir es mit einem durchgeknallten Irren zu tun, einem von der Sorte, die beim geringsten Anlass explodiert. Teja hingegen ist ein Mann, der ein ganz klares, rationales Ziel verfolgt. Er will eine bestimmte Person, und die Geiseln sind für ihn Mittel zum Zweck.«
    »Und wenn er sein Ziel nicht erreicht?«, fragte Verhoeven, weil ihn die Einschätzung des Unterhändlers in diesem Fall tatsächlich brennend interessierte.
    »Dann wird er die Geiseln vermutlich töten lassen.« »Töten lassen ?« Verhoeven war ehrlich überrascht.
    Goldstein zuckte mit den Achseln. »So wie ich ihn einschätze, ist dieser Teja ein Mann, der nur dann tötet, wenn man ihn böse in die Ecke treibt oder jemanden angreift, der ihm nahesteht.«
    »Und Sie denken, wenn es irgendwann hart auf hart kommt, lässt er einen seiner Leute die Drecksarbeit machen?«
    »Ich denke, dass wenigstens einer von denen tatsächlich Spaß am Verletzen hat, ja«, entgegnete Goldstein lapidar.
    »Der Schütze mit dem hellen Mantel«, schloss Verhoeven.
    Goldstein nickte. »Ich muss zugeben, dass dieser Mann mir weitaus mehr Sorgen bereitet als unser Hunnenkönig.« Er machte eine nachdenkliche Pause. Dann sagte er plötzlich: »Ich glaube, Teja vertraut mir jetzt.«
    »Haben Sie ihn deshalb mit unserem Wissen um Malina konfrontiert? Um sein Vertrauen zu gewinnen?«
    »Ein Mann wie Teja wird immer einen konkreten Grund brauchen, sich auf jemanden einzulassen. Und deshalb darf er mich auf keinen Fall bei einer Lüge ertappen.« Der Unterhändler zögerte kurz, bevor er etwas leiser hinzufügte: »Noch nicht.«
    Verhoeven starrte auf seine Schuhe hinunter. Er fühlte sich hin und her gerissen. Einerseits leuchtete ihm ein, was Goldstein sagte. Andererseits war und blieb der Unterhändler in seinen Augen ein Spieler. Einer, der notfalls auch über Leichen ging.
    Goldstein schien seine Gedanken zu erraten und sagte: »Eine Ihrer Aussagen über Ihre Kollegin fand ich besonders bezeichnend.«
    »Welche?«
    »Sie sagten, wenn Sie oder ein Mitglied Ihrer Familie einmal in ernster Gefahr schweben würden, hätten Sie ein gutes Gefühl, wenn Sie wüssten, dass Frau Heller mit der Sache befasst wäre.«
    »Das stimmt«, sagte Verhoeven.
    »Teja vertraut mir.« Goldsteins Adleraugen glitten prüfend über Verhoevens Gesicht und brannten sich dann mitten auf dessen Stirn fest. »Und was ist mit Ihnen? Vertrauen Sie mir auch?«
    »Tut das irgendwas zur Sache?«
    »Ja.«
    »Warum?«
    Goldstein antwortete nicht.
    »Beantworten Sie mir nur eine Frage«, entschied sich Verhoeven, dem die Sache allmählich zu dumm wurde, in die Offensive zu gehen. »Würden Sie eine Geisel opfern, um fünf andere zu retten?«
    »Na ja, fünf zu eins sind eine ziemlich gute Quote, würde ich sagen.«
    War das ernst oder purer Sarkasmus? Verhoeven schüttelte den Kopf. »Beantwortet das meine Frage?«
    »In gewisser Weise ja.«
    »Okay«, sagte Verhoeven. »Lassen wir das.«
    Er schickte sich an zu gehen, doch Goldstein hielt ihn am Ärmel fest. Eine plötzliche, erstaunlich intensive Berührung. »Warten Sie.«
    »Was denn noch?«
    Er sprach gänzlich unprätentiös, fast beiläufig. »Ich bin trocken.«
    Verhoeven starrte ihn an, fest davon überzeugt, sich verhört zu haben. »Was?«
    »Mein letzter Rückfall liegt vier Jahre, drei Monate und ziemlich genau zweiundzwanzig Tage

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