Schattenriss
würden.«
Was soll das werden?, fragte Hinnrichs’ Blick, der vor Verachtung nur so triefte. Spielen wir jetzt guter Bulle, böser Bulle, ja?
»Und?«, fragte der Mann, der sich Teja nannte. »Hören die auf Sie?«
Goldstein schlenderte zur abgedunkelten Terrassentür hinüber. »Wer?«
»Diese anderen Leute.«
»Hm ...« Der Unterhändler drehte sich auf dem Absatz um und sah mit provokantem Gleichmut zu Brennicke hinüber. »Gelegentlich.«
»Glauben Sie mir, ich habe eine Menge Erfahrung, was Lügen angeht ...«
Aus den Augenwinkeln registrierte Verhoeven, wie Monika Zierau wild fuchtelnd nach einem Kugelschreiber verlangte. Frag ihn nach dem Grund! , kritzelte sie in aller Eile auf die Rückseite eines Faxes. Bring ihn zum Reden!
Nein , brachte Goldsteins Miene sie mit Nachdruck zum Schweigen. Das funktioniert nicht. Er würde mich durchschauen. Laut sagte er: »Nachdem wir das jetzt geklärt haben ... Was halten Sie von meinem Angebot?«
»Sie haben doch gerade gesagt, dass Sie den Namen nicht haben.«
»Noch nicht«, korrigierte Goldstein. »Ich sagte noch nicht.« »Wie lange?«
»Tja, leider Gottes kann ich nicht hexen.«
Die Resignation, mit der der Unterhändler gesprochen hatte und
die Verhoeven zumindest in Ansätzen für durchaus echt hielt,
schien den Geiselnehmer ernsthaft zum Nachdenken zu bewegen. »Wie viel Zeit brauchen Sie?«, fragte er.
»Wir setzen alle Hebel in Bewegung«, antwortete Goldstein. »Na schön«, entgegnete der Mann, der sich Teja nannte. »Ich gebe Ihnen vierundzwanzig Stunden.«
Warum so viel?, fragten Monika Zieraus Kohleaugen. Was hat er vor?
Und auch Goldstein war sichtlich irritiert.
»Nach Ablauf dieser Frist bekomme ich den Namen und das Geld«, fuhr der Geiselnehmer fort. »Falls nicht, können Sie sechs Särge bestellen.«
Klick.
»Verbindung unterbrochen«, meldete der ältere der beiden Kommunikationstechniker.
»Er meint ernst, was er sagt«, urteilte Monika Zierau, die inzwischen neben dem glatzköpfigen Stimmenanalytiker stand und mit einem Auge auf dessen Monitor schielte.
»Von wo hat er dieses Mal angerufen?«, fragte Goldstein, sie ignorierend.
»Das ist seltsam«, murmelte der Kommunikationstechniker. »Was?«, drängte Goldstein.
»Laut Peilungsdaten kam der Anruf geradewegs aus dem Mainzer Dom.«
»Er hat eine neue Nummer und einen neuen Provider benutzt«, ergänzte sein jüngerer Kollege, während Goldstein bereits mit Hubert Jüssen telefonierte.
»Das wird ein Schlag ins Wasser«, brummte er, nachdem er den mutmaßlichen Aufenthaltsort des Geiselnehmers an den Background-Koordinator weitergegeben hatte. »Bis unsere Leute vor Ort sind, ist er über alle Berge. Falls er überhaupt jemals dort war.« Er stopfte sein Handy zu den Zigaretten in die Brusttasche seines Polohemdes und nahm den Wecker vom Tisch. »Wir haben eine finale Galgenfrist von vierundzwanzig Stunden«, sagte er, indem er Werner Brennicke ansah. »Und meiner unbedeutenden Einschätzung nach ist diese Galgenfrist das Letzte, was wir kriegen werden. Also: Nutzen wir sie!«
2
Winnie Heller war wütend. Zugleich fühlte sie sich im wahrsten Sinne des Wortes ausgeknockt. Bernds Schläge waren wohl doch härter gewesen, als sie zunächst angenommen hatte, und sie hatte eine ganze Weile mehr oder weniger bewusstlos vor sich hingedämmert. Gut, es hatte ein paar lichte Momente gegeben, während derer die Stimmen der anderen, flüchtige Bilder und Satzfetzen ihr Bewusstsein erreicht hatten. Aber die überwiegende Zeit hatte sie in einem schlafähnlichen Zustand verbracht.
Jetzt allerdings schienen die Grubenwände von allen Seiten auf sie zuzukommen, während sie durch einen Schleier von Watte blinzelte.
Wach werden! Los doch! Dämmern ist viel zu gefährlich . Hier, wo ein Verräter nur darauf lauert, dich ans Messer zu liefern ...
Ja, dachte Winnie Heller, indem sie sich die Augen rieb und vorsichtig ein Stück hochkam. Was bisher nicht viel mehr als ein Gedankenspiel gewesen war, hatte sich als traurige Gewissheit entpuppt: Sie war verraten worden.
Ihr Blick suchte die Wand mit dem Schlitz. Die Stelle, an der sie ihren Dienstausweis versteckt hatte. Irgendjemand musste gesehen haben, wie sie ihn dort deponiert hatte. Irgendjemand in diesem Raum spielte ein doppeltes Spiel und hatte sie und ihre wahre Identität bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt durchschaut. Und dann hatte dieser Jemand geduldig auf seine Chance gewartet.
Also werde
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