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Schattenriss

Schattenriss

Titel: Schattenriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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Weile stumm zu. Dann streckte er eine Hand nach der Klinke aus.
    Verhoeven erkannte die klobigen Schritte, noch bevor Hermann-Joseph Lübkes stets ein wenig gedunsen wirkendes Gesicht unter dem Türrahmen auftauchte.
    »Ich bin gleich losgefahren, als ich Maries Nachricht bekam«, rief der oberste Spurensicherer, indem er quer durch die Diele auf Verhoeven und Hinnrichs zupflügte. Und genauso sah er auch aus. Kinn und Wangen waren unrasiert, und das speckige Jeanshemd, das über dem Bauch fast auseinandersprang, machte den Eindruck, als trüge Lübke es schon mindestens zwei Wochen. »Wie sieht’s aus?«, keuchte er, kaum dass er die beiden Kommissare erreicht hatte. »Gab es inzwischen schon irgendeinen Kontakt zu Winnie?«
    Zu Winnie, echote Verhoeven. Nicht: zu den Geiseln. »Leider erlauben die Entführer nicht, dass wir mit den Gefangenen sprechen.«
    »Und woher wisst ihr dann, dass sie noch ...« Lübke brach ab und hustete trocken.
    Das wissen wir nicht, dachte Verhoeven. Laut sagte er: »Wir gehen davon aus, dass es ihnen den Umständen entsprechend gut geht.«
    Neben Verhoeven zog Burkhard Hinnrichs seine bleiche Dressmanstirn in tiefe, missbilligende Falten. Doch Lübke griff nach der Notlüge wie der Ertrinkende nach einem dargebotenen Rettungsring. »Verstehe«, keuchte er. Und dann, scheinbar zusammenhanglos: »Goldstein soll ja auch einer der Besten sein.«
    Genaugenommen ist er sogar verdammt gut in seinem Job , stimmte ein imaginärer Werner Brennicke ihm unumwunden zu. Aber das betrifft leider nur die Gelegenheiten, in denen er auch in der Lage ist, diesen seinen Job seinem Talent entsprechend zu erledigen .
    Ich bin trocken , hielt ein imaginärer Goldstein dem BKA-Mann entgegen. Mein letzter Rückfall liegt vier Jahre, drei Monate und ziemlich genau zweiundzwanzig Tage zurück ...
    »Und sonst?«
    Verhoeven sah hoch. »Wir haben ein paar Hinweise, die uns vielleicht weiterhelfen könnten. Aber die Zeit läuft uns davon.«
    »Mhm«, brummte Lübke. Auf seiner fleischigen Stirn hatte sich ein zäher Schweißfilm gebildet, und er wirkte so abgekämpft wie John Wayne nach einer kräftezehrenden Prügelei.
    Hinnrichs musterte den obersten Spurensicherer über den Rand seiner Brille hinweg. Offenbar wartete er darauf, dass Lübke wieder ging. Doch der hatte die Hände in die Taschen seiner speckigen Jeans geschoben und blickte mit gesenktem Kopf auf das alte Eichenparkett hinunter.
    Verhoeven warf seinem Vorgesetzten einen flehentlichen Blick zu.
    Und Hinnrichs verstand. »Tja, dann gebe ich das hier schon mal an die Kollegen weiter, die die Sparkassendaten auswerten«, verkündete er, indem er seinem Untergebenen die Parkquittung mit dem Namen der Unbekannten aus der Hand nahm. Sie haben was mit Lübke zu besprechen? Gut, von mir aus, dann besprechen Sie es! »Und anschließend leite ich diese andere Sache in die Wege, Sie wissen schon, die, über die wir gesprochen haben.«
    Verhoeven nickte. »Alles klar.«
    »Scheiße, wovon quatscht der Kerl da so geheimnisvoll?«, polterte Lübke los, kaum dass der Leiter des KK 11 die Tür zu Walther Liesons Wohnzimmer hinter sich zugezogen hatte. »Was für eine andere Sache?«
    Verhoeven erklärte es ihm.
    »Und ich?«, fragte Lübke, als er zu Ende war, und Verhoeven erschrak darüber, dass dieser große, hünenhafte Mann derart hilflos aussehen konnte. »Was zum Teufel soll ich jetzt machen?«
     
     
     

4
     
    Justin Böttchers Hände krampfen sich um das Päckchen, das er in der Hand hält, als er langsam, Schritt für Schritt, quer durch das Smålland von IKEA Wallau stapft, in dem sich noch immer viele Kinder tummeln. Der Mann hat zu ihm gesagt, dass er dieses Päckchen der Tante hinter dem großen Spieltisch geben soll und ob er sich das denn wohl traue.
    Da hat er genickt, weil er schon weiß, was das heißt, sich trauen. Er traut sich zum Beispiel auf dem Klettergerüst bis ganz nach oben zu klettern und auch, die lange Rutsche im Schwimmbad mit dem Kopf voran hinunterzurutschen. Und weil er genickt hat, eben, als der Mann ihn gefragt hat, ob er sich das mit dem Umschlag traue, weil er also genickt hat, will er sich nicht ablenken lassen. Aber das ist gar nicht so leicht, wie es klingt.
    So viele Stimmen um ihn herum. So viel Gelache und Gekreisch.
    Und das Mädchen da drüben in der Ecke, die mit den dunklen Zöpfen, die von ihrem Kopf abstehen wie zwei fette Raupen, die hat ihm seinen Ball weggenommen. Vorhin ist das gewesen, lange vor dem Mann

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