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Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Titel: Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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können wir das jetzt mal kurz vergessen?«
    Obwohl die widerstreitenden Gefühle in mir wie ein Kessel voller Lava brodelten, zuckte ich mit den Schultern. »Okay.«
    Rufus verdrehte die Augen, dann nahm er mich in den Arm und sofort brach der Rest meiner Abwehr zusammen. Es war so gut ihn wiederzuhaben, so nah bei mir. Ich schmiegte mein Gesicht an seine Schulter und schnüffelte unauffällig. Er roch zwar immer noch nach dem Rufus, den ich kannte, aber auch ein bisschen fremd, wie jemand, der die große weite Welt kennengelernt hatte. Zu meiner Verwunderung unternahm er keinerlei Versuche, die Umarmung aufzugeben, sondern schloss mich vielmehr noch fester in seine Arme. Schließlich lösten wir uns wieder von einander und er blinzelte mich an.
    »Vielen Dank, nun sind wir beide nass.«
    Erst jetzt dachte ich wieder an meine tropfenden Klamotten und wie auf Bestellung begann ich zu frösteln. »Ich sollte wohl zusehen, dass ich mir was anderes anziehe, sonst bekomme ich noch eine dieser fiesen Sommererkältungen.«
    Auf dem Weg in die Kabine sagte Rufus: »Du kannst ja mein Geburtstagsgeschenk anziehen. Das Paket müsste, im Gegensatz zu mir, ja wohl rechtzeitig angekommen sein.«
    Wie auf Kommando blieb ich stehen und er prallte gegen mich. »Ja, ist es. Herzlichen Dank übrigens, du Hampelmann.«
    Rufus schenkte mir dieses selbstgefällige Grinsen, von dem ich nie im Leben gedacht hätte, dass es mich glücklich machen könnte, es wieder zu sehen. »Du solltest das T-Shirt tragen, solange der Schriftzug noch aktuell ist«, sagte er. »Jetzt, wo Sam wieder da ist.«
    Kurz befürchtete ich, allein bei diesem Namen könnte seine Wut wieder aufflammen, aber Rufus amüsierte sich viel zu gut über seinen eigenen dummen Scherz. Also bohrte ich meine Finger zwischen seine Rippen und empfand absolute Genugtuung, als ich den kleinen Ringkampf auf der Stiege gewann. Nun, vermutlich ließ mich mein großer Bruder bloß gewinnen.

26
    Hammenhimmel
    Sam
    Wie in Trance stieg ich aus dem dunklen Wellenspiel der Sphäre auf und kehrte zur Ruine zurück, ohne auch nur einen Schlag meiner Schwingen bewusst zu erleben. Dieser Tag war ein einziges Wechselbad der Gefühle gewesen und nachdem es zuerst ganz danach ausgesehen hatte, als würde er glücklich enden, hatte er doch einen unerwartet schmerzhaften Ausgang genommen.
    Noch nie war mir eine Freundschaft aufgekündigt worden, schon deshalb nicht, weil ich es eher vermieden hatte, enge Bindungen einzugehen, und der Verlust traf mich unerwartet hart. Zwar begriff ich, dass Rufus so außer sich war, weil er seit meinem vermeintlich tödlichen Sturz von der Klippe getrauert hatte und ich ihm diesen Kummer aus seiner Sicht leicht hätte ersparen können. Nur änderte das nichts daran, dass er sich tatsächlich von mir abgewandt hatte. Das Einzige, womit ich diese Kluft hätte überbrücken können, wäre die Wahrheit gewesen. Aber würde er die auch nur annähernd so gut verkraften wie Mila? Daran hegte ich meine Zweifel.
    Je mehr ich akzeptierte, Rufus als Freund verloren zu haben, desto klarer wurde mir auch etwas anderes: Ich würde meiner Schwester wohl kaum einen Gefallen tun, wenn ich in ihr Leben zurückkehrte. Und mein Vater, was sollte ich ihm sagen? »Hallo, du hast mich mit deiner Erbarmungslosigkeit zwar dazu getrieben, von einer Klippe zu springen, aber - tätärätä - hier bin ich wieder, lebendiger als je zuvor. Freust du dich?« Nein, auch wenn es grausam war, meinetwegen sollte Jonas bleiben, wo er war. In einer Anstalt, gut weggesperrt, im Glauben, ich wäre tot.
    Ich landete auf dem Platz vor der Ruine und erst, als ich die Tür hinter mir zugezogen hatte, gab ich dem Beben nach, das sich augenblicklich in meinem ganzen Körper ausbreitete. Nur mit Mühe konnte ich das Bedürfnis aufzuschluchzen unterdrücken. Nachdem ich mich wieder einigermaßen in der Hand hatte, quälte ich mich aus den nassen Jeans und spielte mit dem Gedanken, die Armschiene abzunehmen. Das Leder lag kalt auf meiner Haut und kam mir ungewöhnlich schwer vor. Doch ich war so erschöpft, dass ich mich nur noch zum Lager schleppte und unter die Decke schlüpfte. Allein.
    Der Schlaf war eines der wenigen menschlichen Bedürfnisse, die ich mit dem Eintritt in die Sphäre nicht abgelegt hatte, auch wenn ich anders schlief als früher. Zuvor war er eine Art Auszeit gewesen, ein Abtauchen in die Welt der Träume, damit sich Geist und Körper erholen konnten. Aber jetzt kam er mir wie eine Droge vor,

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