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Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Titel: Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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Umsicht gehörte heute Nacht offensichtlich nicht zu meinen Stärken. »Komm, ich bringe dich zurück. Du brauchst etwas Ruhe und mittlerweile ist es tiefste Nacht.«
    Mit einem Schlag wurde Mila in meinen Armen lebendig. »Auf keinen Fall! Ich werde mich nicht wieder von dir trennen, nicht, bevor nicht jede einzelne Frage beantwortet ist, die mir durch den Kopf geht, und ich mir absolut sicher bin, dass du nicht wieder aus meinem Leben verschwindest.«
    »Das habe ich doch gar nicht vor«, erklärte ich, obgleich ich mir nach dem, was eben passiert war, nicht so sicher war, wie es weitergehen sollte mit Mila und mir. Auch wenn es mir schwerfiel, so musste ich mir doch eingestehen, dass ich mich wie ein ausgemachter Egoist verhalten hatte. Schließlich hätte ich Mila auch alles am Strand erzählen können, anstatt einfach mit ihr in die Sphäre zu fliegen, bloß weil mir die Worte für diese neue Welt, die sich mir eröffnet hatte, fehlten. Und weil ich unbedingt wollte, dass sie zu dieser Welt gehörte. War es verkehrt, beides haben zu wollen: Mila und meine Schwingen?
    Mila kuschelte sich wieder an mich und der Geruch von ihrem Haar, der mir in die Nase stieg, beruhigte mich. Ihre Finger spielten mit dem Baseballshirt, das ich mir um den Unterarm gewickelte hatte.
    »Ich kann mir das Shirt jetzt wieder überziehen«, bot ich an. »Die Symbole müssen nur verborgen werden, wenn ich von einer Welt in die andere wechseln will. Das habe ich nach meinem Sprung von der Klippe auf die harte Tour lernen müssen.« Ich versuchte, mit der Hand das Shirt zu erreichen, aber Mila rührte sich nicht. Also gab ich auf und zwickte sie stattdessen leicht in die Rippen.
    »Du bist so schön warm«, behauptete sie ein wenig verschämt.
    Ich sah augenblicklich keinen Sinn mehr darin, auf dem Shirt zu bestehen. Mila trug zwar eine Kapuzenjacke, sodass ich lediglich ihre Wange auf meiner bloßen Haut spürte, aber es war unendlich schön, sie so nah bei mir zu haben. Außerdem war mir tatsächlich warm, regelrecht heiß sogar - trotz des nächtlichen Dunstes, der sich im Wäldchen auszubreiten begann. Obwohl ich Mila bislang kaum berührt hatte, kam es mir so vor, als fühlten sich Berührungen in der Sphäre sehr viel intensiver an. Ein Teil von mir wollte unbedingt mehr davon und es gelang mir nur unter Anstrengung, ihn zurückzudrängen. Diesem verwirrenden Sog nachzugeben, der von Milas Haut ausging, war so ziemlich das Letzte, was wir beide jetzt gebrauchen konnten.
    »Hast du schon immer gewusst, dass du solche Schwingen in dir trägst?«, tastete sich Mila vorsichtig an das Thema vor, das sie eben fast von den Füßen geholt hatte.
    »Gewusst nicht, aber vielleicht geahnt. Damals bei unserem Spaziergang am Strand habe ich dir doch erzählt, dass ich mich der Welt nie wirklich zugehörig gefühlt habe. Ich kam mir nicht nur fremd, sondern auch unvollständig vor. Als müsse etwas in mir noch Form annehmen, damit ich vollständig bin. Das ist zwar ein schräger Vergleich, aber du kannst es dir so vorstellen, als würdest du dein Leben lang alles verzerrt sehen, bis dir endlich jemand über die Augen wischt und du zum ersten Mal begreifst, wozu du sie eigentlich hast. Leider ist dieser jemand, der mir die Augen geöffnet hat, mein Vater gewesen.«
    »In dem Moment, als er dich oben auf der Klippe angegriffen hat.«
    Das war schlicht eine Feststellung. Fast war mir Milas Verständnis ein wenig unheimlich, während es mich andererseits mehr als glücklich machte. Die Verbindung, die ich zu ihr verspürte, war offenbar keine Einbahnstraße.
    »Rufus wird dir ja erzählt haben, was sich oben auf der Steilklippe abgespielt hat.«
    »Nur bis zu dem Moment, in dem du gestürzt sein musst. Ab da bricht seine Erinnerung weg, als habe jemand ein schwarzes Tuch darüber ausgebreitet.« Mila musterte mich prüfend.
    Nun, mit dieser Frage war zu rechnen gewesen. »Das war ich. Es ging nicht anders, auch wenn ich ehrlich gesagt in diesem Moment nicht die geringste Ahnung hatte, was ich tat. Ich hatte gerade meinen Vater abgewehrt, falls man das so nennen kann.«
    »Deine Finger.« Milas Stimme war nicht mehr als ein Wispern. »Er hat sie dir mit dem Messer abgeschlagen.«
    Unwillkürlich betrachtete ich meine linke Hand. Vom kleinen Finger war nur noch ein Rest vorhanden, der Ringfinger versehrt und sogar die Kuppe des Mittelfingers war in Mitleidenschaft gezogen worden. Ich war dankbar dafür, dass Mila mich nicht mit Mitleidsbekundungen

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