Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe - Heitmann, T: Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe
sich jeden Augenblick zu verraten. Denn dass sie mit ihrer Vermutung richtig lag, wurde ihr mit jedem Schritt deutlicher.
Ask war auf der Lichtung. Mit einer Frau, wenn sie die Schreie, die immer wieder aus dem Labyrinth der Baumstämme erklangen, richtig deutete. Nicht mehr so durchdringend wie der erste, sondern erstickter, dafür jedoch rasch an Tempo zunehmend. Shirin ahnte den Grund für diese Schreie, schließlich entwichen sie allzu oft ihrem eigenen Mund, wenn Ask bei ihr war. Trotzdem war sie keineswegs auf den Anblick vorbereitet, der sich ihr bot, als sie den Saum der Lichtung erreichte und ihren Liebsten vor dem hüfthohen Quader stehen sah. Seine sich scharfzackig abzeichnende Aura warf ein kühles Licht.
Die Schattenschwinge, die sich vor Ask auf dem Steinaltar wand, das Gesicht vor Lust verzerrt, kam Shirin bekannt vor. Sie waren einander vorgestellt worden, doch bei welcher Gelegenheit, daran konnte Shirin sich nicht mehr erinnern. Wie so vieles aus ihrem Leben in der Sphäre verschwand auch das in einem dichten grauen Nebel. Nur in ihrem Garten gestattete sie sich eine Wachsamkeit, die nun bestraft werden würde, denn diese Begegnung würde sie niemals vergessen, so viel stand fest. Sie brannte sich ihr ein wie ein glühender Schürharken, der in ihr Herz getrieben wurde.
Das strohblonde Haar der anderen lag ausgebreitet auf dem schwarzen Stein, ihre Haut war makellos rein und die Wangen von einem zarten Rosa überzogen. Sie war das
komplett Gegenteil von Shirin, nur eine Sache verband sie: Beide gaben sie sich Ask mit derselben Leidenschaft hin.
Erneut gab die Schattenschwinge einen heiseren Schrei von sich und streckte ihr Hand nach Ask aus. Wenn sie ihn zu fassen bekam, würde der süße Schmerz vielleicht endlich gelindert werden. Doch er war schneller, packte ihr Handgelenk und drückte es nieder auf den Stein, um ihr Begehren noch zu steigern. Dann blickte er über die Schulter zu Shirin hinüber und lächelte.
Shirin schlug sich die Hand vor den Mund, um einen Schrei zu unterdrücken. Er hatte gewusst, dass sie dastand, es vermutlich sogar darauf angelegt, sie herbeizulocken, damit sie … Gleißende Wut brannte in ihr auf. Sie spürte ihre Aura aufleuchten, so wie sie es noch nie zuvor in Asks Gegenwart gewagt hatte. Sie wollte diese Wut zu einem Bann formen, sich an den beiden rächen. In diesem Augenblick war sie sich absolut sicher, dass sie in der Lage dazu wäre, die mächtigste Schattenschwinge der Sphäre zu bannen. Doch das hätte bedeutet, Ask zu verlieren … unmöglich. Shirins Rachegedanken verloren sich. Ihr blieb nichts anderes übrig, als ihrem Liebsten zuzusehen. Sie konnte sich weder abwenden noch einschreiten.
Um den Steinquader herum verdunkelten sich unterdessen die Schatten. Sie begannen zu zittern, bis ihre Umrisse nicht mehr zu erkennen waren. Schließlich war die Lichtung als solche nicht mehr auszumachen, die in Bewegung geratenen Schatten verbargen sie. Während das unbeständige Grau immer weiter zunahm, begann die Realität zu verblassen. Nur der schwarze Stein stach gestochen scharf hervor und als Ask ihn berührte, gewann auch er an Schärfe. Allerdings hatte sein braunes Haar seine Farbe verloren und zeigte sich in demselben tiefen Schwarz wie der Stein. Selbst seine sonst so goldene Haut war von einem grauen Schleier
umfangen, sodass die Schwingen auf seinem Rücken kaum noch zu erkennen waren.
Zwischen Asks Fingern verdichtete sich ein Schemen, als würde er dem Stein Substanz entziehen. Und tatsächlich formte sich nach und nach eine schwarze Klinge in seiner Hand, ein rohes, aber nichtsdestotrotz effektives Werkzeug.
Während die blonde Schattenschwinge mit geschlossenen Augen nach Atem rang und erschöpft auf dem Quader ausgestreckt lag, hob Ask den Arm mit der Klinge.
Das darfst du nicht!, wollte Shirin schreien, doch selbst als Ask sie herausfordernd ansah, blieb sie stumm. Er wollte sie als Zeugin. Dabei war es ihm gleichgültig, wie grausam das für sie war.
Zärtlich strichen Asks Finger über die zarte Haut, die sich über den Bauch seiner Gespielin spannte, was sie ihm mit einem leisen Aufstöhnen entlohnte. Ein silberner Streifen blieb zurück. Als er die Klinge genau so behutsam ansetzte, reagierte sie zuerst, indem sie lustvoll den Rücken durchbog. Dann erst begriff sie, dass tatsächlich ein feiner Schnitt über ihre Haut verlief. Die Augen vor Schreck weit aufgerissen, wollte sie sich aufrichten, doch Ask drängte sie zurück und
Weitere Kostenlose Bücher