Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe - Heitmann, T: Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe
mit steifen Bewegungen neben ihn in den Sand setzte. Mit einem Ächzen lehnte ich mich auf meine Unterarme zurück, die Beine ausgestreckt, obwohl sie augenblicklich zu zittern begannen.
»Du bist lange weg gewesen. Hast du dich vor Überanstrengung drüben bei den Klippen übergeben?« Dabei verzog Asami nicht einmal einen Mundwinkel.
»Ach, darum ist es dir also bei der ganzen Aktion gegangen? Versuch’s das nächste Mal doch einfach mit einer Portion Sushi. Bei rohem Fisch dreht sich mir der Magen automatisch um.« Der Sand schmiegte sich angenehm an meine geschundene Rückenmuskulatur und mein Kopf wurde so schwer, dass ich ihn auf den Boden sinken ließ. Ausgestreckt lag ich neben Asami, dem das Training offensichtlich keinerlei Anstrengung abverlangt hatte. »Und ich dachte schon, hinter der Quälerei verbirgt sich der perfide
Plan, mich so weit zu rocken, dass ich nicht mehr die Kraft aufbringe, um Mila zu besuchen.«
Asami sah mich ungerührt an. »Das nächste Mal werden wir die Übungseinheit weiter ausdehnen. Solange du über ausreichend Energie verfügst, um unverschämt zu werden, haben wir dein Limit noch lange nicht erreicht.«
»Von wegen«, nuschelte ich. Dann war ich eingeschlafen.
Seit Samuel ihm eine Nachricht hatte zukommen lassen, um ihn zu der Versammlung einzuladen, und damit eine Verbindung zwischen ihnen geschaffen hatte, gelang es ihm, den Jungen immer wieder aufzusuchen und sich an seinem inneren Feuer zu wärmen. Dazu brauchte er nur dem grauen Pfad zu folgen, dann konnte er bei ihm sein. Zu mehr war er allerdings nicht imstande. Im Augenblick konnte er ihn nur beobachten, zuschauen, wie er sich entwickelte und stärker wurde. Nutzen ziehen konnte er daraus allerdings nicht. Noch nicht.
Sanft umtanzte der Schatten den schlafenden Jungen, angezogen wie eine Motte vom Licht. Vom Licht, vom wundervollen Licht, das wie ein Funken in der Finsternis leuchtete und an dem er sich entzünden wollte. Lichterloh brennen, wieder da sein!
Obwohl er seit einer Ewigkeit von seinem Körper getrennt und durch die Träume der schlafenden Menschen gewandert war, um nicht endgültig vom Weißen Licht besiegt zu werden, erinnerte er sich daran, wie es gewesen war zu lächeln. Ein zufriedenes Lächeln, genau das hätte sich jetzt auf seinem Gesicht ausgebreitet. Dieser Asami, der neben dem schlafenden Jungen kauerte und ihn mit derselben Inbrunst betrachtete wie er, hatte sich als ausgesprochen nützlich erwiesen. Von allein wäre Samuel nicht annähernd so rasch auf seine innere Quelle gestoßen, die ihn nun in einen einzigartigen Stern am Firmament verwandeln würde. Die Dinge entwickelten sich schneller als erwartet. Sosehr ihn Samuels
wachsende Kraft auch beeindruckte, sosehr führte sie ihm vor Augen, dass er schon bald würde handeln müssen. Egal, wie hoch das Risiko für ihn war. Die Schattengestalt, die er im Augenblick noch war, würde er aufgeben müssen, wenn er sich künftig nicht bloß an Samuels Licht wärmen, sondern es in sich aufsaugen wollte.
Ja, er wollte dieses Licht besitzen. Es sollte ihm gehören, gleichgültig, welcher Gefahr er sich dafür aussetzen musste.
3
Dornröschen bekommt ihre Chance
Mila
Wie Sam prophezeit hatte, war Reza morgens mit einem Fragezeichen im Gesicht bei mir im Bett aufgewacht. Zu meiner immensen Erleichterung hatte ihre einzige Reaktion in einem irritierten Kichern und dem hingeworfenen Satz »Träume sind schon eine verrückte Sache« bestanden.
Im Gegensatz zu Reza steckte ich die Auswirkungen der letzten Nacht allerdings nicht so locker weg. Einmal davon abgesehen, dass mir der Schock, von meiner Mutter bei einem sichtlich fortgeschrittenen Techtelmechtel erwischt zu werden, wahrscheinlich noch in den Knochen stecken würde, wenn ich schon alt und grau wäre, gab mir Sams Fähigkeit zu denken. Die Leichtigkeit, mit der er Rezas Wahrnehmung umgemünzt hatte, warf mehr Fragen auf, als in meinem schmerzenden Kopf Platz hatten. Wozu waren die Schattenschwingen wirklich imstande und was bedeuteten ihre Fähigkeiten für uns Menschen?
Als die dritte Schulstunde sich bereits dem Ende zuneigte, war ich immer noch meilenweit von einer Antwort entfernt. Aber das war auch kein Wunder, schließlich hatte ich eine komplett schlaflose Nacht hinter mir, und schon davor hatte ich mich mit Augenringen durch den Tag gequält. Dass Mathe auf dem Stundenplan stand, machte die ganze Sache nicht besser. Frau Olsens Kreidestriche an der Tafel verschwammen zu einem
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