Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe - Heitmann, T: Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe
zu. »Mir wäre es bestimmt nicht so leicht gelungen, Shirin zu einem kleinen
Ausflug zu überreden. Das ändert aber nichts daran, dass ich heute Abend nicht mehr die Kraft dazu habe, ihn dafür ausführlich zu loben.«
»Lass uns doch auf mein Zimmer gehen. Wir stellen einfach einen Stuhl unter den Türgriff und haben unsere Ruhe von dieser rothaarigen Heimsuchung. Wir machen es uns gemütlich und lassen die Seele baumeln.«
Dieser Vorschlag stimmte Sam tatsächlich milder. Zärtlich streichelte er meine Halslinie entlang, wobei nicht nur seine kalten Finger mir eine Gänsehaut verursachten. Ein Schaudern unterdrückend, sah ich ihn an. Wenn das überhaupt möglich war, dann sah Sam noch erschöpfter aus als bei unserem letzten Treffen. Da waren so viele Schatten in seinem Gesicht, dass es geradezu kantig wirkte. Und seine Aura strahlte bestenfalls milde. Er war zweifelsohne restlos erschöpft.
»Deine Eltern kehren heute auch ganz bestimmt nicht wieder heim? Ich kann mir im Augenblick nämlich nichts Schöneres vorstellen, als mich an dich zu schmiegen und einzuschlafen. Ich bin so dermaßen erledigt, Mila. Heute hat wirklich eine üble Nummer die nächste gejagt. Ich könnte glatt im Stehen wegdämmern.«
»Du Armer, du brauchst wirklich ganz dringend eine Auszeit«, sagte ich mit schlechtem Gewissen, denn ich hatte schließlich den halben Tag verschlafen, während Sam in der Sphäre allem Anschein nach mehr als ein Abenteuer erlebt hatte. Ich nahm mir fest vor, ihm die Ruhe zu verschaffen, die er zweifelsohne dringend brauchte, bevor er noch zusammenklappte.
Sam rieb sich die geröteten Lider. »Es ist wirklich zum Schreien, dass mir ausgerechnet jetzt die Luft ausgeht. Dabei habe ich mir das, ehrlich gesagt, anders vorgestellt mit der elternfreien Zeit. Ich dachte, wir beiden könnten endlich
mal was Besonders miteinander unternehmen und den ganzen Stress hinter uns lassen. Es sollte ein ganz romantischer Abend werden, ich wollte dich unbedingt überraschen und dann … Tja, dann war so viel los, dass ich nicht einmal dazu gekommen bin, mir überhaupt irgendetwas zu überlegen. Und jetzt tropfe ich hier vor mich hin und bin so kaputt, dass ich mich kaum auf den Beinen halten kann. Ich bin nicht gerade ein romantischer Lottogewinn.«
»Das ist vollkommen in Ordnung, Hauptsache, ich habe dich bei mir«, beruhigte ich ihn. Letztendlich stimmte es auch: Alles, was ich wollte, war, ihn bei mir zu haben. »Das wird der Höhepunkt meines Tages, wenn ich eng an dich gekuschelt einschlafe. Ich kann ruhig auch noch eine Extraportion Schlaf vertragen. Und morgen früh, wenn wir beide wieder Oberwasser haben, sehen wir einfach weiter.«
Meine Katze Pingpong konnte der Idee mit dem Aneinanderkuscheln offenbar auch was abgewinnen: Beim Klang von Sams Stimme kam sie angehopst und strich schnurrend um seine Beine. Das musste echte Katzenliebe sein, denn Pingpong hasste in der Regel alles, was mit Nässe zu tun hatte. Sam bückte sich nicht zu ihr hinunter, sondern berührte sie auf Schattenschwingenart. Offenbar war das ganz nach Pingpongs Geschmack, denn sie ließ sich abrupt auf den Rücken fallen und begann zu schnurren, als habe sie gerade das größte Säckchen Katzenminze der Welt geschenkt bekommen.
»Den Trick musst du mir unbedingt beibringen.« Fast beneidete ich Pingpong.
Sam streckte sich, bis dass es knackte. »Katzen haben eine ungewöhnlich starke Aura. Sie mögen es, wenn man ein wenig daran kitzelt.«
Ich verbiss mir die Anmerkung, dass ich mich auch gern von ihm kitzeln ließ – mit oder ohne Aura –, und legte meinen
Arm um seine Taille. Vor lauter schlechtem Gewissen würde er ansonsten noch die Zähne zusammenbeißen und … Mir war nur allzu bewusst, dass Sam ernsthaft am Ende seiner Kräfte sein musste, wenn er es mir gegenüber zugab. Was war bloß in der Sphäre vorgefallen? Gott sei Dank wirkte er nicht wirklich aufgebracht oder gar verstört, ansonsten hätte ich sofort nachgehakt.
Wir kamen nur ein paar Schritte weit, als die Haustür mit einem Knall aufflog.
Wie erstarrt blieben wir stehen, nur um zu beobachten, wie Rufus, in einen liebestollen Nahkampf mit Julia verwickelt, hineinstolperte. Nun, wenn man nach dem Haus der Jugend zu erschöpft war, neues Land zu erobern, griff man – vor allem wenn man Rufus hieß – am besten auf Altbewährtes zurück. In diesem Fall auf seine On-Off-Beziehung, die in der letzten Zeit ziemlich off gewesen war. Die beiden waren derartig miteinander
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