Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe - Heitmann, T: Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe
durch?«
»Na, mit dem da«, brachte Ranuken besserwisserisch hervor. Dabei deutete er auf Sam, der sich gerade schlaftrunken aufsetzte.
»Das ist doch wohl alles nicht wahr«, knurrte Sam, während er sich das verwuschelte Haar aus dem Gesicht strich. Er war eindeutig nicht froh drüber, geweckt worden zu sein. »Könnt ihr das Theater vielleicht woanders veranstalten? Wenn ich nicht gleich in Ruhe schlafen kann, laufe ich Amok.«
Die Drohung erreichte Lena nicht, denn sie war viel zu sehr damit beschäftigt, ihn anzustarren. »Samuel Bristol«, brachte sie schließlich atemlos hervor.
»Genau. Ich bin wieder da und todmüde. Wäre toll, wenn wir den Rest morgen klären könnten.«
Na, das mit dem Lena-Aufklären ging ja einfacher als gedacht. Ich stand kurz davor, hysterisch aufzulachen. Wie sollte ich das bei Lena jemals wieder geradebiegen?
Lena nickte robotermäßig, dann sah sie zu Ranuken hinüber, der mit der Schulter zuckte. Alles halb so wild, sagte seine Geste. Und vielleicht war es das auch, wenn ich mir Lenas verblüfftes, aber keineswegs entsetztes Gesicht so anschaute.
»Im Keller steht ein Kasten Cola. Sollen wir mit unserem Rülpswettbewerb weitermachen?«, schlug Ranuken vor.
Ich hörte Lena noch »Klar, warum nicht« sagen, dann packte Sam mich bei der Hand und zog mich hinter sich her in Richtung meines Zimmers. Eigentlich hätte ich den Griff abschütteln und mich um meine Freundin kümmern sollen, aber ich war zu durcheinander. Vermutlich hätte ich ohnehin nur Unsinn verzapft und alles noch schlimmer gemacht. Da war sie bei Ranuken und seiner Charmeoffensive zweifelsohne besser ausgehoben.
Vor Rufus’ Tür blieb Sam kurz stehen, schlug dröhnend mit der Faust dagegen und schrie: »Ihr zwei hört jetzt auf mit dem Scheiß, es ist Schlafenszeit. Ich will keinen Mucks mehr hören.«
Als Antwort kam nur ein derbes Schimpfwort, dann herrschte Ruhe.
Die Lider bereits auf Halbmast kroch Sam mit mir unter die Bettdecke, gab mir einen Kuss auf die Schläfe, und schlief auf der Stelle ein. Ich lag noch eine Weile wach, weil ich aus dem Staunen nicht herauskam. Entweder war Lena
zu übertölpelt gewesen, um nicht sofort eine Erklärung von Sam einzufordern, oder sie war schlicht Ranukens ganz speziellem Zauber erlegen und hatte beschlossen, dass alles andere warten konnte. Als dann leise Rülps- und Kichergeräusche aus dem Wohnzimmer hochdrangen, schlief auch ich beruhigt ein. Meine Freundin befand sich in den besten Händen.
14
Morgengruß der Lerche
Es ist seltsam, wenn man aufwacht und das Herz zu rasen beginnt, weil man nicht allein im Bett liegt. Dabei hatte ich schon so manches Mal neben Lena geschlafen – was erstaunlich unproblematisch war, weil sie die gesamte Nacht kerzengerade auf dem Rücken verbrachte, sich nicht das kleinste Stückchen rührte und leise vor sich hin schnarchte. Mit der Nummer gehörte sie eigentlich ins Guinnessbuch der Rekorde . Auch mit Rufus hatte ich mir schon den Schlafplatz teilen müssen, meist unfreiwillig, weil er einen nämlich anfüßelte. Oder mit meinen Eltern auf Verwandtschaftsbesuchen. Aber ich hatte noch nie in einem Bett mit einem Jungen geschlafen, der meine Fantasie beflügelte. Deshalb grenzte es auch an ein Wunder, dass ich in der letzten Nacht überhaupt ein Auge zugetan hatte.
Verstohlen linste ich unter dem halb geschlossenen Lid hervor, nur um festzustellen, dass Sam noch schlief – und zwar so fest, dass sich daran so schnell nichts ändern würde. Selbst das Sonnenlicht, das durch die Vorhänge drang, konnte da allem Anschein nach nichts daran ändern. Ebenso wenig wie Pingpongs beharrliches Schnurren. Schade.
Sam schlief auf der Seite, sein angezogenes Bein lag über meinem und seine Hand ruhte warm und schwer auf meinem Bauch. Unter seinem Wimpernkranz lagen Schatten, die sich auch nach einer Nacht ungestörten Schlafs noch nicht verflüchtigt hatten. Die Halbmondnarbe dicht bei seinem
Auge schimmerte auffallend silbern. Auf seiner Unterlippe hatte sich Schorf gebildet, als habe er sich kräftig draufgebissen. Außerdem erkannte ich im Morgenlicht mehrere feine Wunden, als wäre er durch ein Dornendickicht gelaufen. Auf Stirn und Wange hatten sich Blutergüsse aufgetan, die mir gestern noch gar nicht aufgefallen waren.
»Was hast du nur angestellt?«, flüsterte ich, während meine Fingerspitzen über die blond schimmernden Bartstoppeln entlang seines Kinns strichen. Wenn er sich einen Bart stehen ließe, wäre der deutlich
Weitere Kostenlose Bücher