Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe - Heitmann, T: Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe
geschlossene Sphäre einer Verwahranstalt für Schattenschwingen gleichgekommen, wo die Jüngeren durch Vorenthaltung von Wissen, ja, sogar durch bewusste Unterdrückung, kleingehalten wurden. Ein selbst verordneter Dornröschenschlaf, der kurz nach meinem Eintreten in die Sphäre beendet worden war. Aber von wem? Diese Frage elektrisierte mich sosehr, dass ich stehen blieb. Die Flaschen im Beutel über meiner Schulter klirrten aufgeregt.
»Sam, alles okay?«
Mila schaute mich mit ihren großen Nussaugen verunsichert an. Noch immer hielt sie die Decken wie ein Bollwerk vor sich. Ich atmete tief ein und versuchte mich zum Mundhalten zu zwingen, doch es gelang mir nicht.
»Irgendwie habe ich das Gefühl, dass rein gar nichts okay ist – mal abgesehen davon, dass heute ein strahlend schöner Tag ist. Du strafst mich wegen Asami ab, was ich bestimmt auch verdient habe. Und vorgestern erst warst du enttäuscht
von mir, weil ich mich vor einer offiziellen Rückkehr nach St. Martin drücke. Davor ist die Sache mit Reza passiert, die auch nicht gerade Begeisterungsstürme auf deiner Seite ausgelöst hat. Alles Sachen, die mit meiner Existenz als Schattenschwinge zusammenhängen. Diese Seite an mir fängt langsam an, dich abzustoßen. Ist ja nicht gerade schwierig nachzuvollziehen, warum. Aber ich kann nun einmal nicht ändern, wer ich bin.«
Nun war es heraus. Ich hätte vor Frustration schreien können, dass ich die nächste Auseinandersetzung anschob, anstatt einfach alles dafür zu tun, dass heute mal ausnahmsweise alles friedlich verlief.
Milas Nussaugen weiteten sich vor Erschrecken. »Heißt das, du willst es hinschmeißen?«
»Ich?« Mit größter Mühe konnte ich meine Schwingen davon abhalten hervorzubrechen. Wie immer, wenn ich unter großem Druck stand. Ich hätte viel dafür gegeben, sie jetzt zu öffnen und einige Male ausschlagen zu lassen, doch leider war das gerade unmöglich. Lenas orange-grüner Schopf, der keine hundert Meter vor uns leuchtete, war nicht zu übersehen. »Ich will doch nichts hinschmeißen, Herrgott! Wie kommst du nur auf eine so absurde Idee? Mit der ganzen Erklärerei will ich doch nur verhindern, dass du mir den Laufpass gibst, weil dir das alles zu viel wird.«
»Vielleicht solltest du dann nicht so viel reden, sondern lieber handeln«, schlug Mila mit einem verschmitzten Lächeln vor.
»Das habe ich neulich schon einmal irgendwo gehört.«
Milas Lippen glitten bereits auseinander, um nachzufragen, wo, aber ich war schneller und gab ihr über den Deckenwall hinweg einen Kuss.
»Das hättest du schon viel früher tun sollen«, sagte Mila, als ich sie wieder freigab. »Ich wollte mich bereits mit dir
vertragen, als wir nach dieser Mörderfahrt, die du hingelegt hast, ausgestiegen sind. Vermutlich lag es an der Freude, noch am Leben zu sein«, fügte sie neckend hinzu.
»Deine Körpersprache hat aber ganz was anderes erzählt.«
»Papperlapapp, du warst einfach nicht entschlossen genug. «
»Gut, in Zukunft verzichte ich darauf, dich ernst zu nehmen, und tue einfach, wonach mir der Sinn steht.«
Betont draufgängerisch nahm ich ihr die Decken ab, ließ sie achtlos auf den sandigen Weg fallen und küsste Mila leidenschaftlich. Einen Augenblick stand sie noch stocksteif da, dann ließ sie sich darauf ein … bis Lenas Stimme zu uns rüberhallte, untermalt von einem wilden Pfeifkonzert.
»Ist ja super, dass ihr beiden euch so lieb habt, aber wir brauchen die Decken. Ihr könnte ja gleich bei den Wellenbrechern weitermachen, wir schauen euch auch nicht zu. Na ja, zumindest Rufus und ich, für Ranuken lege ich meine Hand nicht ins Feuer.«
Die drei hatten bereits die letzte Düne vor der Küste erreicht und winkten uns zu. Was für ein super Spaß. Verlegen winkten wir zurück, dann klemmte ich mir die Decken unter den Arm, wo sie mit den Flaschen kollidierten. Den freien Arm legte ich um Milas Taille.
»Ich weiß nicht, wie du das siehst, aber ich denke, wir sollten Lena beim Wort nehmen und so schnell wie möglich da weitermachen, wo wir eben aufgehört haben.«
»Beim Küssen?« Es war Mila anzusehen, dass ihr die rüde Unterbrechung durch ihre Freundin immer noch peinlich war.
»Unter anderem«, erwiderte ich vielsagend.
Mila
»Nun komm schon, Sam. Dieses Ablenkungsmanöver kannst du doch nicht den ganzen Tag lang durchziehen.« Lena formte einen Trichter mit ihren Händen, um gegen den Wind anzutönen. »Wo bist du den ganzen Sommer über gewesen und warum wollt ihr
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