Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe - Heitmann, T: Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe
als ich zu dir zurückgekehrt bin.«
Ein solches Geständnis gelang auch nur Sam mit einer solchen Selbstverständlichkeit. Dabei wurde er nicht einmal rot oder verhaspelte sich. Warum auch? Er schien sich seiner Sache absolut sicher.
Kurz flackerte ein Bild vor mir auf, welche Art Mann er sein würde, wenn er die letzten Schalen eines Jugendlichen abgestreift hatte. Unumstößlich und von einer Klarheit, die sich jetzt schon in seiner Aura zeigte. Die Vision wurde stärker und wischte alle menschlichen Züge beiseite. Ich ließ es
geschehen. Schließlich zeigte sie mir den Kern, der tief in Sam ruhte, die Essenz dessen, was er war. Reines, helles Licht. Eine seltsame Erregung ergriff Besitz von mir, ausgelöst von dem Verlangen, dieses Licht zu berühren, mit ihm zu verschmelzen. Zugleich war da aber auch Furcht vor der Andersartigkeit, denn was ich sah, hatte wenig mit meiner menschlichen Natur gemein. In mir schlummerte nichts Vergleichbares. Ich war anders, eben keine Schattenschwinge. Doch spürte ich da keine Grenze, sondern viel mehr die alte Verbundenheit, die sich in der Sekunde aufgetan hatte, als ich Sam das erste Mal auf dem Schulflur gesehen hatte. Was auch immer die Schattenschwingen in Wirklichkeit sein mochten, sie gehörten auch zu uns Menschen. Und es war Sams menschliche Seite, in die ich mich verliebt hatte – unabhängig von dem Strahlen, das ihn umgab und mich wärmte.
Immer noch umfangen von der Vision, holte ich das getrocknete Ginkgoblatt aus meinem Zeichenblock hervor und legte es auf meinen Handteller. »Schau mal, was siehst du?«
Sam runzelte die Stirn, dann schlich sich ein Lächeln in seine Mundwinkel. »Die Frage müsste wohl eher lauten, was du siehst. Deiner Miene zufolge, steht dieses Blatt für etwas Besonderes.«
»Für uns beide«, antwortete ich leise. »So sind wir: zwei und zugleich eins. Wobei ich mir sehnlichst wünsche, nur eins mit dir zu sein. Aber ich befürchte, bis auf einige wenige Momente wird einem diese Art von Vereinigung nicht zuteil. Man kann jemanden innig lieben und trotzdem ist da stets die Ahnung, zweigeteilt zu sein.«
»Bereitet dir das Kummer?«
»Ja, aber von einer schmerzlich-süßen Sorte.«
»Den Geschmack kenne ich.« Sam streichelte mit seinen
sandigen Fingern über den Puls meines Handgelenkes. Ich stemmte meine Füße in den Sand, um ein Seufzen zu unterdrücken. Es fühlte sich einfach zu schön an. »Jedes Mal, wenn du dich von mir abwendest, ist da dieser Geschmack: Als würde mir der Boden unter den Füßen weggezogen. Gleichzeitig genieße ich das Gefühl, weil es mir zeigt, wie viel du mir bedeutest. Da fällt mir ein, ich habe ein Geschenk für dich.«
Mit der freien Hand griff er in seine Hosentasche und holte einen Ring hervor. Einen weichen Glanz verströmend, wie ihn nur der Bernstein der Sphäre hervorrufen kann, lag er auf seinem Handteller. Es waren zwei ineinander verschlungene Bänder, wovon das eine heller und schmaler war. Der Art, wie die Bänder sich umeinander wanden, haftete etwas Sinnliches und Lebendiges an. Als wären sie ein Liebespaar.
Ich beugte mich über den Ring, traute mich allerdings nicht, ihn zu berühren.
»Falls du ihn nicht tragen möchtest, kann ich es verstehen. « Unsicherheit hatte sich in Sams Stimme eingeschlichen. »Er ist ein Fundstück aus der Sphäre und darüber hinaus verfügt er über Magie, auch wenn ich nicht genau weiß, welcher Art sie ist.«
Daran zweifelte ich nicht im Geringsten. Das war nicht bloß ein symbolisches Schmuckstück. Ihm war eine Aufgabe eingraviert worden.
»Dieser Ring steht für die Bindung, die zwei Liebende eingehen«, setzte Sam ein wenig hilflos nach.
Ich brauchte ihn nicht anzuschauen, um zu wissen, wie sehr er sich wünschte, dass ich sein Geschenk annahm. Ein Symbol unserer Verbindung, für jedermann sichtbar.
»Ich möchte ihn tragen.«
Die Oberfläche des Rings schimmerte fein. Als ich ihn zwischen meine Fingerspitzen nahm, konnte ich mir lebhaft
ausmalen, wie sich das Material an meinen Finger schmiegen würde. Zu meiner Verwunderung zerfloss der Bernstein jedoch unter meiner Berührung. So fühlte es sich jedenfalls an. Als ich die Hand zurückzog, erkannte ich, dass die Bänder auseinandergeglitten waren und nun zwei Ringe auf Sams Handteller lagen.
»Einen für dich und einen für mich. Darf ich ihn dir anstecken? « Ich konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken, obwohl Sams Miene überaus ernst war.
»Ja«, sagte er leise und hielt mir seine
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