Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe - Heitmann, T: Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe
dröhnte ein Donnerhall. Der Begriff
Hülle bezog sich nicht allein auf die Bandagen, sondern auch auf das Energiefeld, das Shirin als Schutz und Kerker zugleich geschaffen hatte.
»Teufel noch eins«, fluchte ich.
Meine Quelle war unter dem Donnerhall verschüttet worden und schlagartig fühlten sich meine Arme wie abgestorben an. Meine Finger schlangen sich nur deshalb weiter um den Griff des Kurzschwertes, weil sie zum Loslassen zu schwach waren. Irgendwo neben mir hörte ich Asami angstvoll meinen Namen rufen, während ich das Herannahen der Körperlosen wahrnahm, fast als wären sie das einzig Reale, das in der Sphäre existierte.
Stück für Stück breitete sich die Taubheit von meinen Armen in Richtung meines Brustkorbs aus, floss über meine Schultern und lähmte meine Schwingen, die gerade hervorbrechen wollten. Doch zu meinem Entsetzen konnte ich sie nicht öffnen, sie waren unter der Haut auf meinem Rücken erstarrt.
Das ging eindeutig zu weit!
Ich schrie wutentbrannt auf und im nächsten Moment flammte die Kraft mit einer solchen Wucht in mir auf, dass die Bernsteinklinge zu surren begann.
Ohne zu zögern richtete ich das Schwert auf die Hülle und hielt dagegen, als Shirins Bann meine eigene Kraft in etwas Lebloses verwandelte. Sie richtete sich gegen mich, als wäre sie beim Aufprall gegen die Barriere ins Negative verkehrt worden. Offensichtlich zielte der Bann darauf, mich erstarren zu lassen. Ich sollte zu einer Statue werden, genau wie Nikolai, als er in die Nähe der Hülle geraten war. Doch dieses Mal wurde die Quelle in mir nicht erneut verschüttet, sondern brach stattdessen immer weiter auf und spie eine wahre Flut von Kraft aus. Ich bekam gerade noch mit, wie die glühende Bernsteinklinge die Hülle zerschnitt, als wäre
sie aus Wachs. Dann wurden all meine Gedanken und Empfindungen beiseite gedrängt, weil jeder Flecken meines Selbst von der Quelle beherrscht wurde, so groß war sie mittlerweile. Mein inneres Universum dehnte sich über die Grenzen hinweg aus, um im nächsten Augenblick nicht mehr als ein winziges Samenkorn in meiner Brust zu sein.
Ich fand mich laut keuchend auf den Fersen sitzend wieder, unsicher, ob in der Zwischenzeit ein ganzes Leben oder nur eine Sekunde verstrichen war.
Unsicher blickte ich mich um. Der bandagierte Körper, dessen oberste Schicht zerschnitten war. Vereinzelte Sterne am Himmel. Der sich sanft im Nachtwind wiegende Seehafer … Die Schemen der anderen Schattenschwingen waren weg, sie hatten sich scheinbar aus dem Staub gemacht, während die Körperlosen spürbar näher gerückt waren. Aber nichts deutete darauf hin, dass hier eben eine Explosion stattgefunden hatte. Nur Asamis kreidebleiches Gesicht, das an eine Totenmaske erinnerte, verriet, dass ich deutlich mehr getan hatte, als lediglich die obersten Bandagen zu zerschneiden.
»Damit ist es beschlossene Sache: Das nächste Mal warten wir bei so einer Aktion besser auf Shirin. Soll die sich mit ihrem selbst geschaffenen Bann herumschlagen«, sagte ich. Dann holte ich kräftig Luft, um meinen völlig verspannten Brustkorb zu dehnen. Auch meine Schwingen öffneten sich wieder ohne das geringste Problem. Ich ließ sie ein paar Mal auf und ab schlagen, obwohl ich nicht vorhatte, mich auch nur einen Zentimeter von meiner erlegten Beute wegzubewegen. Außerdem tat die frische Luft Asami, der allmählich aus seiner Starre erwachte, bestimmt gut.
»Shirin.« Die Art, wie er den Namen aussprach, verriet, dass er soeben ein neues Schimpfwort für sich entdeckt hatte. Dann fügte er noch ein paar weitere üble Flüche hinzu,
die mich durchaus beeindruckten. Nachdem er seine Abneigung zur Genüge kundgetan hatte, berührte er vorsichtig meinen Handrücken. Wie fürsorglich.
»Keine Sorge, so ein Test, ob ich zu guter Letzt nicht doch noch zu Staub zerfalle, ist wirklich überflüssig. Bei mir ist noch alles dran und quicklebendig«, konnte ich gerade noch herumflachsen, da hatte Asami mich schon so fest an sich gerissen, dass meine Schwingen hilflos zuckten. »Ist ja gut«, versuchte ich ihn zu beruhigen, während ich die Umarmung ein wenig ratlos über mich ergehen ließ. Ich konnte das feine Zittern spüren, das von seinem Oberkörper ausging, den kalten Schweiß auf seiner Haut und seinen stoßweise gehenden Atem an meiner Schläfe. Es war mir tatsächlich gelungen, Asami in Angst und Schrecken zu versetzen. Bei dieser Erkenntnis wurde mir flau im Magen. Wie wäre das Ganze wohl ausgegangen, wenn
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