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Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse

Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse

Titel: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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verletzte ihn dadurch nur noch mehr. »So geht das nicht, Shirin. Die Zeit der Geheimnisse muss endlich vorbei sein. Die Lügen, das Schweigen, die ganze Schönrederei der Wirklichkeit hat zu nichts anderem als Kummer geführt. Ich will wissen, was mich erwartet. Ich will meine Entscheidungen im Licht der Wahrheit treffen und mich nicht länger in ein Halbdunkel hüllen, aus Angst, das Sonnenlicht könnte mich verbrennen.«
    »Du magst stark genug sein, um dich meiner Vermutung, was Nikolai mit Mila getan haben könnte, auszusetzen, aber der Junge ist ihr Bruder …«, setzte Shirin zögernd an.
    Wie auf Kommando warf Rufus sich in die Brust. »Erstens: Ich bin hundertzehnprozentig Milas Bruder, und zwar ein Bruder, der seine Schwester verflucht gern hat und alles darüber wissen will, was dieses Schwein ihr antut. Zweitens: Ich bin kein Junge, sondern ein Mann. Das sollte dir eigentlich nicht entgangen sein, meine Schöne.«
    Ich war mir da nicht so sicher, aber ich hatte andere Sorgen, als mit Rufus seine Reife und Männlichkeit zu diskutieren. Shirin stand mit gesenktem Kopf da und hielt sich ihre verwundete Seite. Meine Forderung setzte ihr zu und raubte ihr von der wenigen Kraft, die ihr zur Verfügung stand. Schon tat es mir leid, sie bedrängt zu haben. Sie brauchte Ruhe, mehr als das: Sie brauchte Frieden. Trotzdem, ich musste es wissen, um mich zu wappnen. Falls das überhaupt möglich war – denn wie sollte ich es an mir abprallen lassen, Mila verletzt, gedemütigt oder gar in eine Sklavin verwandelt zu sehen, so wie Nikolai es mit mir hatte tun wollen? Hinter meiner Stirn setzte ein panisches Rauschen ein, als würde die Flut mich aufs offene Meer ziehen.
    »Wird Nikolai Mila seinen Stempel aufdrücken, damit sie sich vollkommen seinem Willen überlässt?«
    Shirin schüttelte energisch den Kopf. »Es würde keinerlei Sinn machen, einem Menschen ein solches Sklavenzeichen aufzuprägen. Um es zum Leben zu erwecken, bedarf es einer Aura. Allerdings kann er sich Mila auf andere Art gefügig machen. Es ist nur …«
    »Was? Lass dich nicht bitten, Shirin.« Nur mit Not unterdrückte ich das Bedürfnis, sie anzubrüllen.
    »Der Schatten war nie, wirklich nie daran interessiert, sich der Menschen zu bedienen. Seine Fertigkeiten, mit denen er Macht auf sich zog, zielten auf seinesgleichen ab. Für ihn zählten einzig und allein die Schattenschwingen. Früher dachte ich, er würde sich von den Menschen fernhalten, weil sie uns in vielerlei Hinsicht nicht ebenbürtig sind. Das war ein Irrtum. Du sagst, seine Pforte seien die menschlichen Träume. Es sieht vielmehr ganz danach aus, als hätte er Angst vor dem, was die Menschen ihm anzutun imstande sind. Das erklärt einiges, nicht zuletzt, warum er diese Welt hier weitestgehend verschont hat, während unsere nach seinem Wüten größtenteils unbewohnbar geworden ist.«
    Shirin brach ab, doch ich hielt still, weil ich ihren Gedankenfluss unter keinen Umständen unterbrechen wollte. Wenn Nikolai an die Träume der Menschen gebunden war, konnte diese Verbindung sich dann nicht als Schlüssel zu seinem Untergang erweisen?
    »Er fürchtet sich vor den Menschen und zugleich braucht er sie«, spann Shirin ihre Gedanken weiter. »Mehr als jede andere Schattenschwinge war er über seine Pforte schon immer mit ihnen verbunden. Und Verbundenheit widersprach zutiefst seinem Wesenskern, denn er wollte nie ein Gegenüber, mit dem ein Wechselspiel stattfindet. Er wollte niemanden, von dem er abhängig ist, der ihn beeinflusst, sondern stets das exakte Gegenteil: Er wollte die Alleinherrschaft, auch in der Liebe. Es muss ihm eine Heidenangst gemacht haben, dass seine Pforte an etwas so Unwägbares wie die Träume der Menschen gebunden war. Den Träumen der Menschen wohnt ein ganz eigener Zauber inne, in ihnen betreten sie eine Welt, zu der uns Schattenschwingen der Zutritt verwehrt ist. Deshalb ist es kein Wunder, dass er seine Pforte damals nicht bloß verheimlicht, sondern auch alles getan hat, um die Verbindung zwischen den Welten zu kappen. Jetzt ist das anders: In Mila hat er das erste Menschenkind gefunden, das sein Interesse geweckt hat, denn dank ihrer Gabe ist es ihm möglich, in der Sphäre die Traumpforte zu eröffnen.« Shirins Miene verdunkelte sich. »Verstehst du, Samuel? Deshalb setzt er alles daran, um deiner habhaft zu werden: Du bist stark genug, um Mila in seine Quelle zu verwandeln. Mit dir könnte er Mila und seine Pforte beherrschen, ohne dass sie Einfluss

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