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Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse

Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse

Titel: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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betrachtete mich mit trägem Blick. »Wonach steht dir der Sinn?«
    Da musste ich nicht lange nachdenken. »Schokolade wäre großartig. Ja, Schokolade … und den Rücken von dir gestreichelt zu bekommen.«
    »Was möchtest du zuerst?«
    Ich wollte schon die Streicheleinheit nennen, dann fiel mir jedoch auf, dass Sam zwar ziemlich erledigt aussah mit den zerwuschelten Haaren und seinen halb geschlossen Augen, dass er es aber keineswegs war. Im Gegensatz zu mir, deren Glieder nutzlose Anhängsel an ihrem bleiern-schweren Torso waren. Darum sagte ich: »Das zuckerhaltige Wiederbelebungsmittel bitte. Ansonsten döse ich vor lauter Entspanntheit noch ein.«
    »Und das gilt es auf jeden Fall zu verhindern.«
    Mit einem Grinsen löste Sam sich von mir und schlug die Decke zurück, um sich von dem Bett in der hinteren Ecke des Wohnwagens zu erheben. Ein Schwall kühler Luft traf meine überaus empfindliche Haut. Die Zärtlichkeiten der letzten Stunde hatten wie eine Droge gewirkt, sodass sie nun jede noch so kleine Berührung vielfach stärker als sonst registrierte. Da wurde aus einem Windhauch glatt ein gefühlter Eissturm. Vor allem, da mein Körper immer noch von einer feinen Schweißschicht überzogen war. Ich kuschelte mich in die Decke und sog ihren Duft in mich ein. Der Himmel auf Erden.
    Derweil stand Sam vorm Kühlschrank mit einem Becher Schokopudding in der Hand, den er mit gerunzelter Stirn begutachtete.
    »Der ist vier Tage überm Ablaufdatum. Willst du es trotzdem wagen? Einen Versuch ist es bestimmt wert und etwas anderes Süßes ist nicht da. Ich tippe ja drauf, dass dieses Zuckerzeug dank seiner chemischen Zusätze das Atomzeitalter unbeschadet überstehen würde. Der Name ist quasi Programm: ›Schoko-Bombe‹. Den Pudding hatte ich noch für Ranuken besorgt, der liebt solche Sachen. Je klebriger, desto besser.«
    Es war mir unmöglich, mich weiter mit der Frage von Ablaufdaten zu beschäftigen, denn Sam kam jetzt mit dem Becher in der Hand geradewegs auf mich zu. Gut, er hatte mir gestern erst klargemacht, dass Lobeshymnen über sein Aussehen tabu waren, aber denken durfte ich mir meinen Teil trotzdem, auch wenn man es mir vom Gesicht ablesen konnte.
    »Kann es sein, dass du mit offenen Augen träumst?«
    Bingo.
    »Muss wohl so sein«, antwortete ich leicht zeitverzögert, während er sich auf die Bettkante setzte. Anders war nicht zu erklären, was ich da gerade zu sehen bekam, denn Sam, lediglich umhüllt von seiner Aura, konnte unmöglich Teil dieses mit Band-Plakaten tapezierten Wohnwagens sein! Sein Äußeres war schlicht zu dicht dran an der Vorstellung von einem Himmelswesen. In diesem Moment ähnelte er mehr denn je einer übersinnlichen Erscheinung und so gar nicht dem Jungen, der seine erschöpfte Freundin mit Süßigkeiten aufpäppelte. Er leuchtete – von innen heraus und zwar im doppelten Sinn.
    »Ich wage jetzt mal eine ganz wilde These: Deine Aura gewinnt deutlich an Kraft dazu, wenn du mit mir schläfst.«
    Sams Augenbrauen rutschten hoch. »Möchtest du das jetzt gleich überprüfen oder erst diesen überzuckerten Kindertod probieren?«
    Kurz hörte ich in meinen Körper hinein, der trotz der verlockenden Aussicht auf Sams Liebkosungen deutlich »Pause, Auszeit!« ächzte.
    »Den Kindertod.«
    Während ich den verboten süßen Pudding in mich hineinlöffelte, machte Sam es sich am Fußende gemütlich und beobachtete mich. Er saß ganz still da, geradezu bewegungslos. Eine Statue, der die Zeit nichts anhaben konnte. Unwillkürlich fragte ich mich, ob er schon vor seinem ersten Wechsel in die Sphäre so viele Schattenschwingen-Seiten an sich gehabt hatte und ob er diese Körperhaltung nie wieder einnehmen würde, wenn ich ihn darauf aufmerksam machte. Vermutlich. Er war ja unbestechlich in seiner Haltung gegenüber den Schattenschwingen, während meine zusehends bröckelte. Dabei sollte es eigentlich eher umgekehrt sein.
    Jedenfalls hielt ich den Mund, genau wie vorhin, als sich seine Schwingen leicht geöffnet hatten, während er mich unter seinem Gewicht verborgen hielt. Offenbar war diese Reaktion für ihn so natürlich gewesen, dass er sie nicht bemerkt hatte, ebenso wenig wie seinen rasch gehenden Atem oder die vor Anspannung geschlossenen Augen. Mir war sie jedoch nicht entgangen, und ich hatte nur schwerlich dem Verlangen widerstehen können, die Schwingen aus Rauch und Rabenfedern zu streicheln. Denn – und das wusste ich aus Erfahrung – diese Berührung wäre Sam auf jeden

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