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Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse

Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse

Titel: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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her? Sie züngeln über die Wände, greifen nach der Luft, bringen die Fenster zum Bersten. Wir müssen hier raus, sofort. Wo sind die Mädchen? Ich muss sie finden, doch vor lauter Rauch sehe ich kaum die Hand vor Augen, ich werde abgedrängt, kann mich kaum bewegen, treibe gegen meinen Willen in Richtung Ausgang, kämpfe mich zurück, schreie, bis meine Stimme versagt. Da, die Halle! Ein Meer aus Flammen, Rauch und sich windenden Leibern. Aber da ist noch etwas anderes … eine Feuerwand, hinter der sich Schatten abzeichnen. Und da ist Lena. Lena steht davor. Nein, nicht! Sie springt durch das Feuer. Ich klettere am Rücken eines großen Kerls hoch, ohne auf seinen Protestschrei zu achten, bis meine Schwingen ausreichend Platz haben. Ich muss zu dieser Feuerwand – oder noch besser: über sie hinweg. Doch kaum nähere ich mich ihr, beginnt meine Haut zu brennen und meine Schwingen fangen Feuer. Ihre Spitzen rieseln zu Asche verkohlt hinab. In letzter Sekunde gelingt es mir, mich am Gebälk festzuhalten und mich ins Freie zu ziehen. Und da ist Sam. Mann, nie war ich so froh, unseren Superhelden zu sehen.«
    Ein schwerer Hustenanfall schüttelte Ranuken, und ich richtete ihn auf, damit er besser zu Atem kam. Sein glühender Leib verriet, dass sich unter der Rußschicht, die seinen ganzen Körper bedeckte, unzählige Brandblasen verbargen. Es war ein Wunder, dass er mit dem Leben davongekommen war. Während Ranukens Kopf vor Erschöpfung zur Seite fiel, sendete ich seine Erinnerung an Kastor. Diese Feuerwand … sie ist Teil der Pforte, die Nikolai errichtet hat. Sie verbrennt sogar die Luft zu Asche. Die Erkenntnis fühlte sich an wie ein Stromschlag an meiner Schläfe.
    Das ist nicht Nikolais Pforte, denn Nikolai ist tot, korrigierte mich Kastor. Ich werde diesen verdammten Dieb umbringen. Nicht nur, dass er Nikolai auf dem Gewissen hat, jetzt missbraucht er auch noch seine Hülle und seine Pforte.
    In Kastors Gedankenstimme schwang ein derartiger Hass mit, dass ich sogar für einen Moment meine Sorge um Mila vergaß.
    Kannst du den Flammen standhalten und mich durch die Feuerwand bringen? Ich will nämlich nur ungern als Grillhähnchen enden , fragte ich Kastor, während ich den fast bewusstlosen Ranuken von den Bruchstellen im Dach wegzog, aus denen immer weitere Rauchwolken stiegen.
    Das tue ich nur, wenn du ihn mir überlässt. Ich habe noch eine Rechnung mit ihm zu begleichen.
    Diese Reaktion war vorherzusehen gewesen. Siehst du, was er hier angerichtet hat? Ich glaube kaum, dass wir ihm heute Nacht in unserem geschwächten Zustand gewachsen sind. Wir können von Glück reden, wenn wir Mila und Lena heil herausholen, für mehr wird es nicht reichen.
    Meine Befürchtung, dass wir von dort unten nicht mehr wegkommen würden, verschwieg ich lieber. Nikolai – oder wie auch immer er sich jetzt nennen mochte – würde die Chance, uns hier krepieren zu lassen, wohl kaum vergeben.
    Kastors innere Stimme hatte mittlerweile ihre bestens vertraute Strenge. Du hast mich schon einmal um meine Rache gebracht. Dieses Mal wirst du mich nicht davon abhalten, meine Pflicht zu tun.
    Als das Wort »Pflicht« fiel, wusste ich, dass ich auf verlorenem Boden stand. Es gab zwei Dinge, auf die man bei Kastor bauen konnte: auf sein Pflichtgefühl und seine Sturheit. Er würde Nikolai ohne Rücksicht auf Verluste angreifen. Und Nikolai? Der würde ihn genüsslich abschlachten.
    Ich beugte mich über Ranuken, der langsam wieder zu sich kam. »Hör zu«, flüsterte ich. »Wenn ich dich über das Dachsims stoße, könntest du dich im Zweifelsfall trotz deiner beschädigten Schwingen noch rechtzeitig fangen, bevor du auf den Boden schlägst? Unser Grieche will sich nämlich gerade aus lauter Verbohrtheit umbringen lassen. Du musst ihn so lange, wie es geht, ablenken, damit ich die Sache in die Hand nehmen kann.«
    Ranuken hustete etwas, das wie »Ich pack das schon« klang.
    Ich schaute über meine Schulter zu Kastor. »Wir machen es wie das letzte Mal: Du kümmerst dich um die Kranken. Ranuken muss von diesem Dach runtergebracht werden. Und zwar sofort.«
    Statt Kastors Antwort abzuwarten, schob ich Ranuken über die Dachkante. Dann wartete ich noch kurz ab, bis Kastor ihm fluchend hinterherjagte, um ihn rechtzeitig einzufangen. Ja, auf unseren griechischen Freund war Verlass.
    Ich zog meine Schwingen ein und lief über die Stahlkonstruktion, um an der Stelle in die Halle zu springen, wo die Flammen am stärksten emporloderten. Dort

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