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Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse

Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse

Titel: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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liebe ich ihn dafür, dass er solche Nummern durchzieht. Durchgezogen hat …« Ranuken stockte, dann wisperte er mit tränenerstickter Stimme: »Wir müssen hier raus, die verfluchte Decke wird gleich runterkommen, die Hitze hat alles mürbe gemacht.«
    Obwohl ich wusste, dass er recht hatte, rührte ich mich nicht von der Stelle. Mir fehlte die Kraft, mich zu erheben. Das Fieber wütete in mir, brannte schwarze Flecken in mein Blickfeld. Beinah war es zum Lachen, dass ich Nikolais Feuer entkommen war und nun an einem zugrunde ging, das ich selbst entzündet hatte.
    Ranukens Finger glitten durch den Staub, der von Kastor zurückgeblieben war. Voll stillem Kummer berührte er seine Stirn, wo drei hellgraue Punkte zurückblieben. Dann straffte er seine Gestalt.
    »Die Trauer muss warten, so schwer es auch fällt. Los, komm auf die Beine, mach schon.«
    Zwecklos, dachte ich. Ich würde am liebsten hier sitzen bleiben und es Kastor gleichtun, für den nichts mehr eine Rolle spielt.
    Ranuken hingegen begann, an meinem Arm zu zerren. Schließlich gelang es ihm, mich in die Höhe zu stemmen, und ich taumelte einige Schritte vorwärts. Hinter mir spürte ich einen mächtigen Luftzug, dann bebte die Erde, als der Deckenpfeiler krachend auf dem Boden aufschlug. Fast fiel ich vornüber, aber Ranuken hielt mich.
    »Reiß dich zusammen«, fuhr er mich ungewohnt scharf an. »Wenn du keinen Wert auf dein Leben legst, dann lass dich wenigstens von Nikolai bei dem Versuch umbringen, Mila zu befreien, anstatt in dieser Halle zu sterben. Das wäre doch totaler Unsinn.«
    Unter Qualen gelang es mir, einige Schritte zu tun, indem ich mich an der Vorstellung festhielt, Mila nur ein Stück von mir entfernt stehen zu sehen. Dort musste ich hin, dorthin … Dann fraß das Fieber ihre Erscheinung genauso rasch auf wie die Dämmerung eine Fata Morgana. Um mich herum wurde alles schwarz.
    Ranuken breitete seine Schwingen aus. »Scheiß drauf, ob das jetzt einer sieht.«
    Wie er mich umfasste und wir in die Luft stiegen, bekam ich nicht mehr mit, denn ich fühlte mich bereits schwerelos.

19 Böses Erwachen
    Das Erste, was zu mir durchdrang, war das Geräusch von stetigem Tropfen. Nach und nach baute sich das Bild auf, wie sich ein einzelner, reiner Wassertropfen mitten im endlosen Blau bildete und schließlich fiel. Ganz langsam, als hätte er alle Zeit der Welt, ehe er auf eine Wasserfläche schlug, die zuvor unsichtbar gewesen war, weil sie das Blau perfekt spiegelte. Der Tropfen schlug in den Wasserspiegel ein, verdrängte erst das Wasser und verschmolz dann mit ihm, während sich bereits ein weiterer Tropfen bildete. So ging es immerfort, ein ewiger Kreislauf.
    Zumindest dachte ich das so lange, bis ich auch etwas anderes wahrnahm: flüsternde Stimmen. Ich verstand nicht, worüber sie sprachen, und wollte es lange Zeit auch nicht wissen. Mir reichte es vollauf, die Tropfen zu beobachten, ihrem Aufschlag zu lauschen. In dieser Zwischenwelt gefangen zu sein, war die reinste Wohltat. Dort draußen erwartete mich gewiss nichts, das an diese Reinheit und Gelassenheit heranreichte.
    Die Stimmen wurden kräftiger, aus dem Rauschen bildeten sich allmählich Worte heraus. »Sein Fieber … gesenkt« hörte ich und »schwarzes Brandmal«. Für mich stand fest, dass ich mit der Welt außerhalb von mir nichts zu tun haben wollte, doch der Schutzwall löste sich stetig weiter auf und immer mehr drang zu mir hindurch, während das Geräusch von fallenden Tropfen zwar blieb, das Bild sich jedoch auflöste, geradezu verdampfte.
    Und dann fiel die Frage, der ich mich nicht entziehen konnte.
    »Ob er weiß, wo Mila ist?«
    Ich wusste nicht, wer sie aussprach, aber das war unwichtig. Sie blies meine Müdigkeit mit einem Streich fort.
    Wo war Mila?
    ∞∞
    Ich kam im Krankenhaus zu mir.
    Reza und Daniel Levander saßen neben meinem Bett, Reza hielt behutsam meine Hand, in deren Rücken eine Kanüle steckte, durch die unentwegt eine klare Flüssigkeit rann. Tropfen für Tropfen. In dem Zimmer waren noch drei weitere Betten untergebracht, und ich nahm die Verbrennungen und Atemprobleme der in ihnen Liegenden so deutlich wahr, als wäre ihre Krankenakte mit feuerroten Lettern in die Luft geschrieben. Noch deutlicher hing nur der Kummer der Levanders über mir.
    Mühsam bewegte ich meine Lippen, um eine Antwort auf die Frage zu geben, die weiter durch meinen Geist hallte. Doch ich wusste weder, was ich sagen sollte, noch gelang es mir, mehr als ein Krächzen

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