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Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse

Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse

Titel: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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mochte, ansonsten würde mich meine Tatkraft verlassen. Jetzt war nicht der Augenblick, um nachzudenken oder gar meinen Gefühlen Raum zu geben, denn sie würden mich nur niederdrücken vor lauter Kummer.
    Ich musste handeln. Sofort!
    Eine kurze Inspektion ergab, dass mein Oberkörper bandagiert war, dass über dem Schnitt an meinem Hals ein dickes Pflaster klebte und verschiedene Kanülen in mir steckten, eine unangenehmer als die andere. Die mussten als Erstes raus. Im Schneckentempo hob ich meine Beine aus dem Bett, sorgsam darauf bedacht, bloß keinen Laut zu verursachen, der Rufus oder einen meiner Zimmergenossen aufweckte. Dabei brannten meine Fußsohlen höllisch von den Schnitten, die mir das zerbrochene Glas auf dem Hallenboden zugefügt hatte. Zu meiner Erleichterung gab Rufus lediglich ein Grunzen von sich, als die Matratze wackelte. Er musste wirklich k.o. sein. Als ich mich endlich aufrecht hielt, war ich dankbar für den Ständer, an dem der Tropf hing. Ich klammerte mich so lange an ihm fest, bis das Bedürfnis, einfach umzufallen, nachließ. Dann klemmte ich den Infusionsschlauch ab. Mit Müh und Not erreichte ich das Badezimmer, der kalte Schweiß stand mir auf der Stirn.
    Im Spiegel erblickte ich eine Person, die mich nur entfernt an mich selbst erinnerte: die Wangen eingefallen, die Lippen aufgesprungen und blutverkrustet, Monsteraugenringe und das Haar dunkel geschwitzt vom Fieber. Ich sah aus, als wäre ich gestorben und durch einen Zauber wieder zum Leben erweckt worden. Einen bösen Zauber.
    Mit weichen Knien zog ich die Kanülen heraus, was mir mit der linken Hand alles andere als leichtfiel und ausgesprochen schmerzhaft war. Dann löste ich das Pflaster an meinem Hals, unter dem ein mit mehreren Stichen genähter Schnitt zum Vorschein kam. Schließlich wickelte ich die Bandagen ab, die um meinen Oberkörper verliefen. Mit zitternden Fingern riss ich die Mullkompresse runter. Dabei entstand ein ekelhaft klebriges Geräusch, das noch unerträglicher war als der Schmerz, der von den Schnitten ausging, die ich mir mit der Obsidianklinge beigebracht hatte. Die Wunde zog schwarze Fäden.
    Nur einen Moment lang hielt ich den Anblick aus, dann bückte ich mich über die Toilettenschüssel und spuckte, obwohl sich außer Galle nichts in meinem Magen befand.
    Am ganzen Leib zitternd, stellte ich mich vor den Spiegel und betrachtete erneut das unvollendete Zeichen. Es sah aus wie ein doppelt gezeichneter Stern, dem ein Zacken weggebrochen war. Bei dem Gedanken, was geschehen wäre, wenn Kastor mich nicht zum Abbruch gezwungen hätte, lief es mir eiskalt den Rücken hinab. Der zerbrochene Stern bestand aus Furchen in meiner Haut, schwarz und entzündet, als wäre das Fleisch verdorben. Zu meiner Erleichterung stellte ich fest, dass das Zeichen zwar die Entzündung hervorrief, die mich fast das Leben gekostet hatte; darüber hinaus besaß es aber keinerlei magische Wirkung – im Gegensatz zu den vernarbten Schnitten auf meinem Unterarm, deren Zauber ansatzweise funktionierte. Der Stern auf meiner Brust würde lediglich eine weitere Narbe sein, genau wie der sorgfältig vernähte Schnitt des Katanas.
    An der Badezimmertür ertönte ein leises Klopfen.
    Ich fuhr zusammen, reagierte jedoch nicht.
    Eine Pause entstand, dann schob sich ein weißer Stab durch den Türspalt, angelte nach dem Haken, und bevor ich mich versah, trat Ranuken ein. Die Haut auf seinem Gesicht pellte sich an den Stellen, wo zuvor Brandblasen gewesen waren, und sein Haar stand noch wirrer ab als sonst. In der Hand hielt er den verbogenen Stiel eines Lutschers.
    »Himbeere«, sagte er anklagend. »Ausgerechnet meine Lieblingssorte.«
    Ich hielt mich wie ein Betrunkener am Waschbeckenrand fest, bis der Boden unter meinen Füßen sich wieder stabil anfühlte. »So was aber auch«, krächzte ich.
    »Wie ich sehe, hast du dich vom Katheter, diesem echt üblen Folterinstrument, befreit. Hast du deshalb gekotzt?« Ranuken schüttelte sich, dass seine Zottelhaare wippten. »Das war bestimmt ekliger, als sich diese Verzierung auf deiner schmucken Brust anzusehen. Wenn du so weitermachst, bestehst du bald nur noch aus Narbengewebe.«
    »Egal. Erzähl mir, was passiert ist.«
    Ranuken wickelte den Lutscher aus und hielt ihn mir hin. »Du brauchst dringend Zucker, mein Freund. Außerdem erwarte ich, dass du dich brav auf den Toilettendeckel setzt. Ich habe absolut keine Lust, dich aufzufangen, wenn du plötzlich besinnungslos wirst und wie ein

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