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Schattenseelen Roman

Schattenseelen Roman

Titel: Schattenseelen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga Krouk
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sich zwischen ihren Fingern. Ein Käfer krabbelte über ihr Gesicht und schlüpfte in ihren leicht geöffneten Mund. Evelyn spürte, wie die Beinchen über ihre Zunge pieksten und die kleinen Kiefer begannen, ihre Wange aufzufressen.
     
    Evelyn schrie und schlug um sich, ohne zu begreifen, wo sie war und was mit ihr geschah. Erst nach einer Weile kam sie wieder zu Sinnen. Adrián hielt sie fest in seiner Umarmung und streichelte ihr über den Kopf.
    »Es ist vorbei«, flüsterte er auf sie ein. »Alles ist wieder gut, es ist vorbei.«
    Tränen liefen in Strömen über ihre Wangen. Wenn Adrián sie nicht gehalten hätte, wäre sie zusammengebrochen und hätte nicht die Kraft gefunden aufzustehen. Sie schlang die Arme um seinen Hals, schmiegte sich an ihn und genoss die Berührungen seiner Hände, die über ihren Rücken glitten.

    Was sie erlebt hatte, war nicht real, redete sie sich ein. Sie hatte es nur nachempfunden, aus seinen Erinnerungen heraus. Wie schrecklich musste es sein, es in Wirklichkeit zu erleben? Das überstieg ihre Vorstellungskraft.
    »Verzeih mir«, sagte er und vergrub sein Gesicht in ihrem Haar. »Ich hätte es dir nicht zeigen dürfen.«
    »Nein, das war richtig so.« Evelyn stotterte. Es fiel ihr schwer, die Worte zu formen, als hielte die Leichenstarre sie in ihren Fängen. »Sonst hätte ich niemals begriffen, was du erleiden musstest. Wie lange warst du im Sarg gefangen, bis du … bis du …«
    »Bis ich meine Familie getötet habe?«, sagte er, was sie nicht auszusprechen wagte. »Etwa einen Monat.«
    Es verschlug ihr den Atem. Sie hatte nur wenige Minuten der Qual erlebt und wäre bereit gewesen, jeden zu töten, nur um der Folter zu entkommen. So lange wie er Widerstand zu leisten, konnte sie sich kaum vorstellen. Schon gar nicht, wenn enge Räume einen in solche Panik versetzten.
    Sie lehnte den Kopf an seine Brust und hörte seinen Herzschlag. Der Schrecken verebbte, doch sie klammerte sich genauso verzweifelt an Adrián wie eben noch. Er durfte nicht weggehen. Er durfte sie nicht in dieser fürchterlichen Welt allein lassen, sie brauchte ihn. Evelyn strich ihm über die Wange und entlockte ihm ein vorsichtiges Lächeln. Sie lächelte zurück. Mit seinem stummen Einverständnis zog sie seinen Kopf zu sich heran und berührte mit ihren
Lippen die seinen. »Und was ist mit: ›Fass mich nicht an‹?«, fragte er und erwiderte den Kuss.
    »Vergiss es.« Fordernd fand ihre Zunge einen Weg in seinen Mund. Evelyn kostete ihn mit Genuss.
    Diesmal war er es, der sie von sich schob. »Wir müssen aufhören.«
    Sie blinzelte. Die zarte Magie, die sie gefangengenommen hatte, zerbrach. »Warum? Habe ich etwas falsch gemacht?«
    »Nein, ganz und gar nicht. Bloß … du hattest Recht, guapa , das sind nicht wir, nicht unsere Gefühle. Es ist nur dieser verfluchte Bann, der zwischen uns besteht. Das darf ich nicht vergessen, auch wenn es mich verrückt macht, dich nicht küssen zu dürfen.«
    Nein, unmöglich! Sie fühlte sich zu ihm hingezogen wie zu keinem Mann jemals zuvor und mit der Zuversicht erfüllt, dass diesmal ihre Chimären schlafen würden … Evelyn biss sich auf die Zunge. Mach dich nicht lächerlich, es ist der Bann. Mehr nicht. Adrián wollte sie nicht. Punkt. Sie musste sich damit abfinden.
    Zum Glück ertönten im Flur Schritte, und Marias Erscheinung rettete Evelyn aus dem Verhängnis.
    »Kommt mit, ihr Turteltauben. Conrad ist da. Wir sollten die Lagebesprechung durch… Oh nein, welche Sau war das denn?« Ihr Zeigefinger mit dem schwarz lackierten Nagel wies auf das Bild und die Scherben herum.
    »Ich«, tönten Evelyn und Adrián unisono. Schnell
schob Adrián hinterher: »Es ist nichts passiert. Das Ding ist noch heile.«
    »Das Ding? Das Ding?« Maria schien kaum noch Luft zu bekommen. »Das ist Original Raoul Dufy, ihr Banausen. Französischer Expressionismus Anfang des
    20. Jahrhunderts. Oh, wie kann man nur so ein Kunstbanause sein.« Sie pustete sich eine ihrer Strähnen aus der Stirn. »Na gut, wir reden später darüber«, sagte sie im Oberlehrerton. »Conrad wartet.«
     
    Das Krisenkaffeekränzchen fand ohne Kaffee im Wohnzimmer statt. Der Raum war mit Designer-Möbeln ausgestattet, an den Wänden glänzte die Sammlung der Waffen aus aller Welt und Epochen: ein chinesisches Dao, ein osmanischer Yatagan, ein spanisches Rapier und eine Vielzahl an Schwertern, Dolchen und Messern, die Evelyn sich nicht einmal in ihren skurrilsten Träumen vorstellen könnte. Ein langes,

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