Schattenseelen Roman
hierzulande heißt das einfach nur ›Lebenspartnerin‹. Sie ist beim Frauenarzt. Es ist bald so weit bei uns.« Er starrte auf die verwelkte Blume und wog den Kochlöffel in der Hand.
»Basti, ich möchte frei sein. Ich möchte mein Leben jemandem widmen, den ich liebe. Warum musst du meine Träume töten?«
»Meine Güte, du benimmst dich wie ein Welpe, der von der Leine gelassen wurde!« Der Hass in seinen Worten ließ Kilian erstarren. »Unsereiner gehört nicht hierher, sondern in die Gemeinschaft. Ich habe schon immer gesagt: Das Leben ist kein Ponyhof. Was das bedeutet, habe ich erst jetzt begriffen.«
»Aber …«
»Warum bist du hergekommen? Du hast hier nichts mehr zu suchen. Das Recht auf meine Freundschaft
hast du verloren, als ich verbannt wurde. Ich habe deine Hilfe gebraucht, und du hast mich im Stich gelassen!«
Sprachlos sah Kilian ihn an. Im Stich gelassen? Was hätte er denn tun sollen? Nein, der Mann vor ihm war nicht der Basti, mit dem er gejagt hatte, dem er sein Leben anvertraut hätte. Es war ein Fremder, der in einer Plattenbauwohnung hauste und sein Dasein bedauerte.
»Wo ist eigentlich Großmütterchen Thilde?«, fragte Kilian. Bastis Seelentier konnte er sich hier nicht vorstellen. So eine Wohnung eignete sich nur bedingt für eine Kuh.
Sebastian zog die Augenbrauen zusammen. »Du hast wirklich keine Ahnung. Wer sich gegen die Gemeinschaft entscheidet, entscheidet sich gegen sein Seelentier. Am Tag der Verbannung wurde sie zur Ehre der Königin geschlachtet.«
»Was redest du da? Linnea würde niemals …«
»Linnea ist ein manipulierendes, hinterhältiges Miststück. Ihr Duft macht dich willig. Aber ich … ich sehe klar, jawohl. Ich kenne die Wahrheit.«
»Du verlierst den Verstand, Basti, du gibst allen die Schuld für deine Entscheidung. Mir. Linnea. Der ganzen Welt. Ich habe schon einmal davon gehört, dass die Abtrünnigen ohne die Gemeinde wahnsinnig werden, aber ich hätte mir nie vorstellen können, es mit den eigenen Augen zu sehen.«
Sebastian presste die Zähne aufeinander und wies
mit dem Kochlöffel zur Tür. »Es ist besser, wenn du jetzt gehst.«
»Ja, das ist es wohl.« Kilian erhob sich und schritt in den Flur. Er stand schon auf dem Treppenabsatz, als er sich umdrehte und zurückschaute. »Johannes wurde getötet. Drei Wochen, nachdem du unser Team verlassen hast.«
Kein Muskel zuckte auf dem blassen, fremden Gesicht.
»Und falls es dich interessiert«, fuhr er fort, »es war Adrián. Diese Kreatur hat ihn zu Tode gefoltert.«
»Es tut mir leid für deinen Bruder«, kam es tonlos zurück, und die Tür fiel ins Schloss.
Kilian floh die Treppe hinunter. Der Geruch angebrannter Bratkartoffeln verfolgte ihn bis zur Straße. Draußen tauchte er in dem lärmenden Menschenstrom unter. Er ließ sich davon mitreißen, ging, ohne zu wissen, wohin, als eine Hand sich auf seine Schulter legte. In der Hoffnung, dass es Sebastian war - der Sebastian, den er wirklich kannte -, drehte er sich um und blickte in Finns Gesicht.
»Du hast mir also doch nachspioniert«, presste Kilian durch die zusammengebissenen Zähne hervor. »Ich hätte es wissen müssen. Verflucht, nein. Ich hätte es merken sollen!«
»Mach dir nichts draus. Mein Vieh entdeckt sogar eine Maus, die am Boden wühlt. Linnea will dich sprechen.«
Sein Herz rutschte ihm in die Hose. »Sicher. Hast
du ihr schon gepetzt, dass ich einen Abtrünnigen besucht habe?«
»Krieg dich wieder ein. Nichts habe ich ihr gepetzt. Ich habe dir mein Wort gegeben.«
»Natürlich!« Er packte den Burschen am Ärmel. »Tu nicht so scheinheilig. Fast hättest du mich mit deinen Geschichten weichgekocht. Der arme Junge, ganz ohne Eltern, der Gemeinde nicht angepasst … Dein falsches Spiel kann ich leicht durchschauen!«
»Genau.« Finn sah ihn an, und ein Anflug von Enttäuschung legte sich auf sein Gesicht. Ruhig befreite er den Ärmel aus dem Griff. »Du bist ein Idiot, Kilian. Und jetzt komm. Linnea wartet schon.«
Linneas Wohnung empfing Kilian mit einem warmfeuchten, exotischen Duft. Im Flur musste er die Schuhe und die Socken ausziehen, bevor seine Königin eine der Türen öffnete und ihn in das Wohnzimmer hereinließ. Finn durfte draußen bleiben, was Kilian nicht ohne gewisse Schadenfreude registriert hatte.
Rindenmulch piekste in seine Fußsohlen, als er den Raum betrat; Äste, Stämme und üppige Pflanzen gaben Linneas Liebling genug Klettermöglichkeiten. Die andere Hälfte des Raums wurde von Sand
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