Schattenspäher
zu verlieren.
Hinter Silberdun stand Sela. Sie hatte seitlich am Kopf eine große Wunde, und das Blut strömte auf ihr Kleid, doch es schien sie nicht zu kümmern. Silberdun wirkte ein bisschen derangiert, doch ansonsten unverletzt. Von irgendwoher torkelte Timha auf die Gruppe zu; sein Atem ging stoßweise und es schien, als unterdrücke er ein Schluchzen.
Der Rest lag im Dunkeln. Nein, nicht ganz. Am Horizont konnte Eisenfuß Weizenfelder erkennen, die sich im silbernen Mondlicht wiegten.
»Was ist geschehen?«, fragte er endlich.
»Die Frage ist doch eher: Was ist nicht geschehen?«, gab Silberdun zurück. »Was nicht geschah ist, dass wir nicht in Stücke geschmettert wurden, als wir in einer brennenden Luftbarke aus tausend Fuß Höhe auf die Erde stürzten.«
»Und wie ist das möglich?«, fragte Eisenfuß verwirrt. Das Letzte, an das er sich entsinnen konnte, war, dass an Bord der Barke ein flammendes Inferno ausgebrochen war. Danach wurde seine Erinnerung ein wenig verschwommen.
»Wegen ihnen.« Silberdun zeigte auf die Gestalten, die in der Nähe standen. Eisenfuß sah, dass die meisten der Robenträger ausgebeulte Säcke bei sich hatten; zwei von ihnen trugen zwischen sich einen größeren, kantigen Gegenstand. Einen Tisch?
Einer der Fremden trat nun vor. Alles, was Eisenfuß von ihm sehen konnte, war seine schlanke, groß gewachsene Gestalt und sein kahlrasierter Schädel. »Hallo«, sagte er. »Ich heiße Je Wen. Willkommen am Boden.« Er begrüßte sie in der Gemeinsprache, besaß jedoch einen starken Akzent.
»Ihr habt uns gerettet?«, fragte Eisenfuß. »Wie?«
»Wir haben euch nicht gerettet«, sagte Je Wen. »Ihr seid in unser Netz gefallen.«
Um sie herum wurde ein Grollen laut, und der Boden unter ihren Füßen begann zu schwanken, als befänden sie sich auf hoher See. Eisenfuß, Sela und Silberdun fielen um, doch die Robenträger blieben auf ihren Füßen.
»Wir stehen scheinbar auf einer Platte der Bewegung«, schloss Silberdun, während er sich wieder aufrappelte. »Einer ziemlich großen. Unglaublich weich und flexibel; wie ein großes Daunenkissen.«
Je Wen sah sich zu seinen Gefährten um. »Lasst uns nehmen, was wir brauchen, und dann verschwinden wir von hier.« Er sah zu Silberdun. »Wir würden euch raten, uns zu begleiten.«
»Wer seid ihr eigentlich?«, fragte Eisenfuß.
»Das sind Arami«, ließ sich Timha vernehmen. »Und wenn sie uns gerettet haben, dann wollen sie auch was dafür.«
»Ich dachte, ihr wollt mit den Fae aus den Städten nichts zu schaffen haben?«, sagte Eisenfuß.
»Nur mit dem da nicht.« Je Wen deutete auf Timha. »Nur er ist aus den Städten. Ihr nicht.«
»Wie-?«, begann Eisenfuß, als das Grollen erneut einsetzte, bösartiger diesmal.
»Wir müssen gehen«, sagte Je Wen. »Es wäre klug, wenn ihr vier uns begleiten würdet.«
Eisenfuß sah Silberdun an, doch der zuckte nur die Achseln. »Es sei denn, ihr habt was Besseres zu tun?«, meinte er.
»Man kann diesen Leuten nicht trauen«, sagte Timha.
»Du wurdest überstimmt«, meinte Silberdun. »Gehen wir.«
Sela nickte zustimmend. Eisenfuß folgte Je Wen und seinen Begleitern in Richtung des silbernen Lichts am Horizont. Irgendwo in seinem Hinterkopf spukten zwei einander ähnliche Muster umher, doch die Bilder waren nur mehr verschwommen, und so verbannte er sie aus seinen Gedanken.
Er versuchte, mit Je Wen Schritt zu halten, aber das war gar nicht so einfach. Unter ihnen schwankte der Boden, und zu allem Überfluss war das Terrain stellenweise auch noch rutschig. »Worauf laufen wir eigentlich?«
Je Wen lächelte. »Unser Netz fängt all das auf, das keiner haben will. Alles, was die da oben nicht brauchen, wird einfach runtergeworfen.«
»Also laufen wir gerade über deren Müll?«, schlussfolgerte Eisenfuß.
»So ist es. Ausrangiertes Mobiliar, Essensreste, Tierkadaver, Fäkalien. Was sie nicht wollen, fangen wir mit unserem Netz.«
Fäkalien.
»Warum?«
»Weil die Arami Plünderer sind, die selbst nichts herzustellen vermögen«, sagte Timha, der seine liebe Not hatte, sich auf dem wackligen Untergrund auf den Beinen zu halten.
Wieder lächelte Je Wen. »Weil die da oben Verschwender sind, und wir nicht.«
Nach einigen Minuten mühsamer Reise auf dem See des Unrats schienen sie sich seinem Ufer zu nähern, denn hier lag weit weniger Müll. Zum Rand hin wurde der Untergrund auch fester und ebener, obwohl er nach wie vor leicht unter ihren Schritten nachgab.
»Der Boden hier
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