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Schattenspäher

Schattenspäher

Titel: Schattenspäher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Sturges
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sich zu erinnern. Er hatte Fackeln gesehen. Schreie vernommen. Die qualmende Grube, die Knochen. »Ich habe genug gesehen.«
    »Und woher wisst Ihr, dass ich das Iglithbi in Euren Schnaps getan habe? Kam Euch jemals in den Sinn, dass es Jedron selbst gewesen sein könnte? Als eine seiner kleinen Prüfungen?«
    Silberdun musste zugeben, dass Ilian sehr überzeugend klang. Doch erwartete man dergleichen nicht von einem durchtriebenen Lügner?
    »Und was ist mit diesem Eisenfuß dann tatsächlich geschehen? Ich meine, denjenigen, den ich sah. Derjenige, dessen Knochen Ihr aus der Grube gefischt habt.«
    »Warum fragt Ihr nicht Jedron danach?«, gab Ilian zurück. »Wenn Euch das nicht von seinem Wahnsinn zu überzeugen vermag, dann weiß ich's auch nicht.«
    Das Gespräch begann Silberdun auf die Nerven zu gehen. Er wusste immer gern, woran er war.
    Er sah an sich herab und stellte fest, dass er immer noch den Humpen mit Ilians Wasser in Händen hielt. »Ihr seid ein ziemlich guter Lügner«, sagte er. »Doch ich habe mich lang genug unter Adligen bewegt, um selbst den besten Lügner zu durchschauen.«
    »Den besten wohl kaum«, sagte Ilian. »Denn diesen Titel nimmt Jedron für sich in Anspruch.«
    Er lehnte sich näher an das Gitter heran. »Schon bald wird sich sein Verfolgungswahn gegen Euch richten, Silberdun. Und wenn der arme Irre erst versucht, Euch im Schlaf zu ermorden, sagt nicht, ich hätte Euch nicht gewarnt, Ihr Narr.«
    Ohne groß nachzudenken, stieß Silberdun den schweren Tonhumpen durch die Gitter und traf sein Gegenüber damit hart an der Schläfe. Ilian verlor das Gleichgewicht und stürzte zu Boden.
    Silberdun stürmte aus dem Keller und die Treppen hinauf in den Turm, wo er Jedron reglos an seinem Tisch sitzend vorfand. Er hielt ein Glas Schnaps in der Hand.
    »Verdammt, Jedron«, bellte Silberdun ihm entgegen. »Ich will jetzt endlich wissen, was hier eigentlich vorgeht!«
    Jedron gab keine Antwort. Er war an seinem Arbeitstisch eingenickt. In all der Zeit, die er nun in Kastell Weißenberg war, hatte Silberdun den Meister nie schlafend gesehen.
    »Jedron!«, brüllte Silberdun durch den Raum. Der alte Mann zuckte zusammen, straffte sich und warf Silberdun einen bitterbösen Blick zu.
    »Raus hier«, sagte der Meister. Als Silberdun protestieren wollte, schleuderte Jedron das Schnapsglas nach ihm. Dieses Mal jedoch konnte Silberdun dem Geschoss ausweichen.
    Silberdun verließ das Studierzimmer und auch den Turm, schlug den Weg zu den Steinstufen am Meer ein, wo Ilian ihn überrascht und zusammengeschlagen hatte. Es war sonnig und windig draußen, und bei Licht betrachtet wirkten die Stufen weit weniger unheimlich auf ihn. Es gab keinen Handlauf, und Silberdun wunderte sich, wie er es in jener Nacht hinuntergeschafft hatte, ohne sich den Hals zu brechen.
    Am Fuß der steilen Treppe angekommen, donnerte die Brandung laut gegen die Felsen. Der Steintisch stand noch immer auf dem kleinen Plateau, auch die Grube war noch da. Silberdun wagte einen Blick in das breite Loch. Es war etwas über einen Meter tief und leer, bis auf eine Lage zusammengebackener Asche. Der Grund der Grube und die Innenseiten waren verkohlt.
    Silberdun sprang in das Loch hinein; seine Stiefel sanken ein in die feuchte Asche. Er kniete nieder und nahm etwas davon zur Hand. Die Schlacke war klebrig, fühlte sich fast an wie Ton. Im Innern der Grube roch es dunstig und irgendwie unangenehm streng. Ein scharfer, bösartiger Gestank.
    Etwas Weißes glitzerte in der Sonne. Vorsichtig ging Silberdun darauf zu. Halb vergraben in der durchweichten Asche lag ein winziges weißes Objekt. Er hob es auf und hielt es ins Licht. Es war ein Knochen, ein kleiner Knochen. Ein skelettierter Zeh vielleicht, oder ein Finger. Offensichtlich hatte Silberdun an jenem Abend genau das beobachtet, was auch tatsächlich geschehen war.
    Silberdun wischte die Asche von dem Knochen und steckte ihn ein. Der letzte Beweis von Eisenfuß' Existenz. Wer immer dieser Eisenfuß auch war. Etwas ging hier vor. Etwas, das weder Ilian noch Jedron zugeben wollten, doch Silberdun würde die Wahrheit ans Licht bringen.
    Zurück im Turm fand Silberdun den Meister im Gemeinschaftsraum vor, wo er die Armbrüste ölte. Als Silberdun eintrat, hängte Jedron die Waffe, die er gerade gereinigt hatte, wieder an ihren Platz und brüllte: »Beim heiligen Loch der Königin, wo habt Ihr gesteckt?«
    »Ich hab nach Antworten gesucht«, sagte Silberdun. »Und davor hatte ich ein sehr

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