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Schattenspäher

Schattenspäher

Titel: Schattenspäher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Sturges
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so förmlich miteinander sein«, sagte Sela. »Wir sind doch beide bloß Mädchen, die eine Aufgabe zu erledigen haben.«
    Etwas in Selas Geist glitt an seinen Platz, und dann sah sie, wie sich zwischen ihr und Ecara ein dünner blauer Faden entspann. Das Zimmermädchen vermochte ihn nicht zu sehen, natürlich nicht. Dergleichen war mit bloßem Auge nicht wahrzunehmen. Blau fühlte sich an wie Vertrauen und Freundschaft.
    Ecara war ziemlich willensschwach. Ohne viel Mühe hätte Sela sie davon überzeugen können, sich in sie zu verlieben, für sie zu sterben, für sie zu töten. Ein Kinderspiel. Sela hoffte dennoch, dass niemand sie um dergleichen bitten würde, denn Ecara war ein wirklich nettes Ding.
    »Ich denke, wir werden gute Freundinnen werden«, sagte Sela.
    Der blaue Faden vibrierte; offensichtlich hatte sie etwas Falsches gesagt. Aber was?
    Wellen des Unbehagens entströmten Ecara. Sie empfand sich als Sela nicht gleichgestellt, insofern war eine Freundschaft zwischen ihnen unmöglich.
    Sela wollte ihren Fehler korrigieren und sagte: »Nun, dann werde ich mich mal waschen und ankleiden. Ich bin sicher, Lord Everess hat wichtige Dinge für mich zu tun.«
    Das funktionierte. Auch wenn sie sich nicht in Ecara hineinversetzen konnte, war ihr die Erleichterung doch deutlich anzusehen. Sela war die gütige Herrin; Ecara die begünstigte Dienerin. Alles war wieder in bester Ordnung. Der blaue Faden wurde wieder straff und stärker als je zuvor. Das war die vielleicht traurigste Wahrheit, die Sela über die anderen gelernt hatte: Versetzte man jemanden in Angst, liebte er einen oftmals umso mehr.
    Sie gestattete Ecara, sie wortlos anzukleiden. Es war ein aufwendig gearbeitetes Gewand mit einem Mieder aus Fischbein, vielen Unterröcken und Spitzen und Schnüren.
    Sela konnte spüren, dass Ecara sie schön fand. Ihre Augen wanderten über Selas weiche makellose Haut, ihr üppiges Haar, ihre weiblichen Rundungen. Doch es war nichts Begehrliches daran, nicht die lüsternen Blicke, die Sela bisweilen von gewissen Frauen erntete, sondern es lag etwas viel Unschuldigeres darin. Eine Art Bewunderung, dann und wann versetzt mit einem Tropfen Eifersucht, wenn auch nicht in diesem Moment. Süße Anbetung.
    Ja, Ecara würde für sie sterben, wenn nötig. Ach, wie Sela doch hoffte, dass dergleichen niemals nötig wurde!
    »Dann ist also heute der Tag der Tage, oder?«
    »Wie meinen, Fräulein?«
    »Na ja, der Tag, an dem man mich endlich das tun lässt, wozu man mich hergebracht hat.«
    »Davon weiß ich nichts«, sagte Ecara stirnrunzelnd. »Ich bin nur hier, um mich um Euer Aussehen zu kümmern.«
    »Ach ja?«
    »Ja, Seine Lordschaft möchte, dass Ihr gut ausseht für die Burschen.«
    Etwas Kaltes durchbohrte Selas Gedanken. »So, tut er das?«
    Der blaue Faden vibrierte und verfärbte sich zu Tiefviolett. Sie hatte Ecara Angst eingejagt.
    »Ich bin sicher, er hat das nicht so gemeint, Fräulein.« Das Mädchen zitterte.
    »Sind wir dann endlich fertig?«, fragte Sela so überheblich wie möglich und strapazierte damit den violetten Faden bis an die Grenzen seiner Belastbarkeit. Aber nicht darüber hinaus.
    »Ja, Fräulein.«
    Ecara nickte und verließ dann ohne ein weiteres Wort das Zimmer. Sela wollte ihr hinterherrufen, sich bei ihr entschuldigen, doch irgendwie wusste sie, dass man nun nichts mehr daran ändern konnte. Also setzte sie sich wieder hin.
    Und wartete.

12. KAPITEL
    Alpaurle: Wer also ist ein rechtschaffener Mann?
    Hoher Priester: Nun, einer, dem man vertrauen kann, natürlich.
    Alpaurle: Aber wie wissen wir, ob man ihm vertrauen kann?
    Hoher Priester: Ein solcher Mann beteiligt sich nicht an Täuschung und Betrug.
    Alpaurle: Und woher sollen wir das wissen?
    Hoher Priester: Weil er in allem, was er tut, aufrichtig ist.
    Alpaurle: Doch was, wenn man keine Kenntnis erlangt über das schändliche Tun dieses Mannes?
    Würde er uns nicht nach wie vor vertrauenswürdig erscheinen?
    Wie also erkennen wir einen rechtschaffenen Mann?
    Hoher Priester: Und wieder einmal versucht Ihr mich zu verwirren.
    Alpaurle: Keineswegs! Ich versuche nur, meine eigene Verwirrung aufzuklären. Allein darum fragte ich Euch.
    - Alpaurle, aus Gespräche mit dem Hohen Priester von Ulet, Gespräch VI, herausgegeben von Feven IV zu Smaragdstadt
    Nach der Sache mit Ilian wurde Jedron mürrischer und streitlustiger denn je. Silberdun wusste nicht, ob der Meister einfach nur wütend auf sich selbst war, weil Ilian ihn hinters Licht geführt

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