Schattenspäher
beiläufig wie möglich.
»Sie hat andere Verpflichtungen«, erwiderte Paet mit ausdrucksloser Miene.
»Und ich schätze, die gehen mich nichts an?«
»Im Moment noch nicht, ja.«
Seufzend nahm Silberdun Platz. So war das nun mal. Informationen waren wertvoll. Bei Hof, in der Politik, ja, überall waren sie die wohl derzeit kostbarste Ware.
»Ich werde Euch beide nach Annwn entsenden.« Paet reichte Silberdun und Eisenfuß je eine unerfreulich dicke Dokumentenmappe. Eisenfuß griff beflissen danach, doch Silberdun zögerte. Einmal mehr irritierte es ihn, Anweisungen von jemandem entgegennehmen zu müssen, dessen soziale Stellung so weit unter der seinen rangierte. Das ging zurück auf seine Inhaftierung in Crere Sulace, und er hatte sich nie daran gewöhnen können. Gäbe es eine Medaille für den am gering geachtetsten Edelmann in den Faelanden, er hätte sie mit Sicherheit erhalten. Doch vielleicht hatte das Ganze ja auch sein Gutes. »Bescheidenheit ist Balsam für die Seele«, hatte Estiane ihm einmal gesagt. Dieser selbstgefällige Arsch.
Silberdun nahm die Mappe und öffnete sie. Sie enthielt Dossiers über eine Reihe von Regierungsmitgliedern, eine Einführung in die politischen Verhältnisse, Namen und Adressen von Kontaktpersonen unter der dortigen Bevölkerung sowie eine kurze Missionsbeschreibung. Sie war in Paets sorgfältiger Handschrift verfasst und von einem Kopisten abgeschrieben worden, der entweder in Eile oder völlig unfähig gewesen war.
»Verständlicherweise könnt Ihr nicht den direkten Weg dorthin nehmen, werdet also über Mag Mell reisen müssen. Der Botschafter auf der Insel Cureid wird Euch mit den Informationen versorgen, die nötig sind, um nach Annwn zu gelangen.« Die Port-Auvris-Schleuse, das Portal, welches das Seelie-Königreich mit Annwn verband, war während der Unseelie-Invasion vor fünf Jahren geschlossen worden.
»Euer oberstes Ziel ist es, in Blut von Arawn Verbindung zu verschiedenen Kommunalbehörden aufzunehmen, die sich, wie wir glauben, besonders ignorant gegenüber der derzeitigen politischen Lage zeigen. Seit Mab Annwn vor fünf Jahren erobert hat, ist das Volk dort zusehends unzufriedener geworden. Es gab seither vier Separatistenaufstände, die von den Unseelie-Truppen vor Ort niedergeschlagen wurden. Es waren zwar nur kleinere Ausschreitungen, aber sie zeigen eine gewisse Tendenz.«
»Wonach suchen wir genau?«, fragte Silberdun. »Annwn ist nicht gerade der Nabel der Welt.«
»Das stimmt«, sagte Paet, »und dennoch findet sich dort eine erhebliche Menge an Tributzahlungen in Form von Gold sowie eine stattliche Anzahl Soldaten, die gegen das Seelie-Königreich mobilgemacht werden könnten, so es denn Mab gefällt.«
»Gibt es geheimdienstliche Hinweise, die darauf hindeuten?«
Paet nickte. »Wir haben Berichte, die belegen, dass sich ihre Bodentruppen bereits vorbereiten. Einer unserer Aufklärer hat in der Nähe von Wamarnest zwei Kavallerieeinheiten aus Annwni entdeckt, die auf der anderen Seite der Grenze Übungen durchführten.«
Eisenfuß runzelte die Stirn. »Warum so nah der Grenze? Wäre es nicht klüger, eine Mobilmachung im Geheimen durchzuführen?«
»Vielleicht wollten sie ja gesehen werden«, sagte Paet achselzuckend. »Zur Abschreckung.«
»Davon abgesehen ist dies der einzige Ort weit und breit, an dem man eine Reiterarmee ausbilden kann«, sagte Silberdun. »Weiter nördlich ist das Gelände schon viel zu unwegsam für Pferde. Die bauen ihre Städte ja nicht ohne Grund in den Himmel.«
»Wie auch immer«, sagte Paet, »wenn wir einen Weg finden könnten, die Unseelie in Annwn zu unterwandern, wären wir dem Sieg einen entscheidenden Schritt näher.«
»Ihr wollt, dass wir beide einen bewaffneten Aufstand anzetteln? Nichts einfacher als das! Wir drücken den Leuten ein paar angespitzte Stecken sowie einige Kampfschriften in die Hand, und der Krieg ist so gut wie gewonnen ...«
Paet seufzte. Diese Sticheleien waren kindisch, aber offenbar auch befriedigend.
»Es gibt andere, weitaus effektivere Wege«, sagte er, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen. »Wie Ihr wisst, ist Annwns politisches System dem unsrigen sehr ähnlich. Natürlich wurde diese Welt von den Unseelie unterworfen, doch Mab wirft normalerweise die herrschenden Strukturen eines besetzten Territoriums nicht über den Haufen, wenn es nicht sein muss. Und in Annwn musste es offenbar nicht sein.«
»Und was für ›herrschende Strukturen‹ sind das genau?«, fragte
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