Schattenspäher
Geschäftsreise: Er hatte auf einer der südlichen Inseln mit einem Bergbaukonsortium über Schürfrechte zu verhandeln. Silberdun und Eisenfuß trugen die Gewänder niederer Beamter, und Silberdun nahm an, dass diese Leute dergleichen täglich über sich ergehen lassen mussten.
Als sie die Rampe hinaufgingen, sah sich Eisenfuß begeistert um, sog alles förmlich in sich auf. Silberdun fand, er hätte es, was diese Mission anging, schlimmer antreffen können. Zwar kannte er Eisenfuß noch nicht allzu lange, doch ihm war, als arbeiteten sie schon ihr ganzes Leben miteinander. Lag es vielleicht an diesem Ring der Verbindung? Schon möglich, und wenn es so war, dann war dieses Ritual eine gute Sache gewesen, denn er mochte diesen Eisenfuß ausgesprochen gern.
Hatte er jemals einen wahren Freund aus seinen Kreisen gehabt? Am Ende war dieses ganze Adligen-Buhei womöglich gar nicht seine Sache.
Oben auf der Rampe wurden sie von Mag Mells Zöllnern in Empfang genommen, die ihre Arbeit traurigerweise erheblich gewissenhafter und freundlicher erledigten als ihre Kollegen in den Faelanden. Die Leute von Mag Mell sahen mehr oder weniger aus wie Fae, wenngleich ihre Haut von dunklerer Farbe war. Zudem besaßen sie so runde Ohren wie das Volk der Nymaen, dem Silberduns alter Weggefährte Brian Satterly angehörte. Gründlich überprüften die Zöllner Silberduns und Eisenfuß' Papiere, die sie als Mitarbeiter des Außenministeriums auswiesen, und winkten die beiden dann ohne Nachfrage durch.
Hinter dem Eisentor oben auf der Rampe bogen sie um eine Ecke und traten hinaus in einen leichten Nieselregen. Die Tropfen sprenkelten das Meer, das die gesamte kleine Insel umgab, auf der das Portal stand. Am Ufer wartete bereits eine Fähre, die sie zur Insel Cureid bringen sollte.
»Lord Silberdun«, ertönte plötzlich eine Stimme.
Silberdun drehte sich um. Baron Glennet - der Mann, den er vor einigen Monaten im Klub Immergrün kennen gelernt hatte - trat aus dem Portal und eilte auf sie zu. In seinem Kielwasser befand sich ein kleines Gefolge aus Beratern und Bediensteten.
»Baron«, sagte Silberdun. Er wusste, dass Everess den Mann schätzte, wenngleich er sich fragte, ob das Glennet nun vertrauenswürdiger machte oder nicht.
»Ich sah Euch auf meinem Weg zum Portal, schaffte es aber nicht mehr in Eure Gruppe. Schön, dass ich Euch eingeholt habe.«
Er wandte sich an Eisenfuß. »Ihr müsst Meister Falores von der Königinnenbrück-Akademie sein. Ich habe viel von Euch gehört.«
»Es ist mir ein Vergnügen«, erwiderte Eisenfuß.
Glennet beugte sich ein wenig vor und raunte. »Ich wollte Euch nur viel Glück auf Eurer Mission in Annwn wünschen.«
Silberdun lächelte. »Wir versuchen unser Bestes«, sagte er. »Was führt Euch nach Mag Mell?«
»Die Arbeit, wie immer«, seufzte Glennet. »Ich versuche im Auftrag der Schmiedezunft bei einem Minenbetreiber einen besseren Preis für Silbererz auszuhandeln.«
»Klingt nach einem großen Spaß«, sagte Silberdun.
»Zumindest ist es weniger gefährlich als Eure Aufgabe.« Glennet lächelte verschwörerisch.
Als sie die Fähre erreichten, wurden sie schon von einer gewichtigen Frau namens Glienn erwartet. Sie war die stellvertretende Seelie-Botschafterin. Die Vertreter der Juwelier-Innung hatten ihren Kontaktmann schon gefunden und betranken sich bereits frohgemut an Bord des Fährschiffes.
Glienn war freundlich, wenngleich ein wenig zurückhaltend, und so tauschte man auf See nur Höflichkeiten aus. Als sie an den Docks der Insel Cureid anlegten, wartete bereits eine Droschke auf Silberdun, Eisenfuß und Glienn. Glennet hatte sich um seine eigene Fahrgelegenheit gekümmert, sodass sich nun ihre Wege trennten, nachdem man sich alles Gute gewünscht hatte.
Silberdun, Eisenfuß und Glienn quetschten sich in die Kutsche, nicht undankbar für den Schutz und die Wärme, die sie bot, und los ging die Fahrt. Die Insel Cureid war trotz des Regens ein erfreulicher Anblick. Die Wohnhäuser und öffentlichen Gebäude waren allesamt aus Holz erbaut und in freundlichen Farben gestrichen worden. Die Straßen bestanden aus Vulkangestein und schimmerten silbern im Regen. Alles wirkte neu und sauber. Andererseits war es schon befremdlich, in den Straßen keine einzige einheimische Frau zu erblicken. Insofern war Silberdun froh, dass ihr Aufenthalt hier nicht allzu lange andauerte.
Die Seelie-Botschaft lag in einer ruhigen Seitenstraße. Sie war aus importiertem Faemarmor erbaut worden und
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