Schattenspäher
wirkte irgendwie verdrießlich und deplatziert im fröhlichen Mag Mell. Immerhin passte der Regen zu dem bedrückenden Gebäude. Als sie sich aus der Kutsche schälten, stieg Silberdun der Duft von Tagetesblüten und Capelglöckchen in die Nase - Blumen aus den Faelanden, die im Vorgarten der Botschaft wuchsen -, der sich mit dem Geruch von Regenwürmern und Pferdemist vermischte.
Der Seelie-Botschafter war ein Fae namens Aranquet, der in das farbenfrohe Leinenzeug der Leute von Mag Mell gekleidet war. Seine Militärabzeichen hingen direkt am Aufschlag seiner rosafarbenen Jacke. Lächelnd empfing er seine Besucher im Vorraum. Glienn reichte ihnen gehaltvolle Getränke, die nach Minze rochen und in Bechern aus Schilfrohr serviert wurden.
»Willkommen in Mag Mell, meine Herren!«, rief Aranquet überschwänglich und schüttelte ihnen die Hände. »Kommt nur, kommt herein!«
Er führte sie in sein Büro; ein großer, luftiger Raum, der mit Möbeln angefüllt war, die ebenfalls aus Schilfrohr hergestellt worden waren. Auf dem Boden lagen pfirsichfarbene und zitronengelbe Seidensitzkissen. Auf einer Sitzstange in der Ecke hockte ein außerordentlich bunter Vogel, den Kopf im Gefieder versteckt. Glienn ließ sie allein und schloss hinter sich die Tür.
Als die drei Männer unter sich waren, verhärteten sich Aranquets Züge. Er stürzte sein Getränk herunter und stellte seinen Becher ab, ohne den Blick von seinen beiden Besuchern abzuwenden.
»So«, stellt er fest, »Ihr sollt also Paet ersetzen, was?«
»Ihr kennt ihn?«, fragte Silberdun. »Sagt, war er schon immer so liebenswürdig wie dieser Tage?«
Aranquet lachte. »Ich sehe, wir werden uns glänzend verstehen.« Er griff nach seinem Becher, stellte fest, dass er leer war, und knurrte. »Na ja, Paet war nie für seinen Charme oder Humor berühmt. Andererseits hat er für die Seelie auch Dinge getan, die ... nun, er hat zu seiner Zeit ein paar erstaunliche Sachen zuwege gebracht und keine Anerkennung dafür erhalten. Zumindest nicht öffentlich. Aber er hat sie auch nie eingefordert.«
Aranquet stellte seinen Becher auf dem Schreibtisch ab. »Nichtsdestotrotz ist er auch ein knallharter Typ.«
»Es hieß, Ihr hättet Unterlagen für uns«, sagte Eisenfuß.
Der Botschafter drehte seinen Kopf in Richtung Eisenfuß. »Mir scheint, Ihr seid der Diplomat von Euch beiden?«
»Nein«, sagte Eisenfuß. »Ich fürchte Paet nur ein wenig mehr als mein Begleiter.«
Aranquet holte zwei Dokumentensätze aus seiner Schublade und reichte sie den beiden Männern. Es waren Pässe und Reiseunterlagen.
Silberdun nahm den Pass in Augenschein; eine perfekte Fälschung, soweit er es beurteilen konnte. Das aufgedruckte Blendwerkbild sah ihm zum Verwechseln ähnlich, allerdings lautete der zugehörige Name Hy Wezel, und als Wohnort war Blut von Arawn eingetragen.
»Ihr beide könnt ja schlecht als Maggos oder Annwni umherreisen«, erklärte Aranquet mit Blick auf die Pässe. »Also seid Ihr als Unseelie-Fae unterwegs. Das ist zwar ein bisschen riskant, aber die Dokumente sind wirklich ausgezeichnete Arbeit. Die halten jeder flüchtigen Betrachtung stand. Allerdings würde ich mich mit den Papieren nicht festnehmen lassen, das würde Euch fraglos den Kopf kosten.«
Silberdun betrachtete die Reisedokumente und lachte auf. »Wir reisen als Aalhändler?«
»Zwischen den Welten geht eine Menge Aal hin und her«, erklärte Aranquet. »Die Annwni können einfach nicht genug davon kriegen. Von der Maggo-Variante, versteht sich. Über anständigem Faeaal rümpfen sie nur die Nase.«
»Ich war schon mal Aalhändler«, sagte Silberdun. Er erinnerte sich an die geheime Gruppenmission durch die Faelande. Damals, im Midwinter, hatte Mauritane erfolglos versucht, einem Mann namens Nafaeel und seinen Gauklern, den Bittersüßen Erstaunlichen Mestina, weiszumachen, sie wären reisende Aalhändler. Und der Stern der fahrenden Truppe war Nafaeels Tochter Faella gewesen.
Doch jetzt war keine Zeit für Gedanken an Faella. Sie war nicht gut gewesen für ihn. Sie hatte ihm das Gesicht ruiniert. Außerdem war etwas Seltsames an ihr. Sie hatte eine Gabe zur Anwendung gebracht, die Königin Titania als »Magie der Verwandlung« bezeichnet hatte, die Dreizehnte Gabe. Silberdun hielt sich eigentlich für einen welterfahrenen Burschen, aber davon hatte er bis zu jenem Tage noch nie gehört. Leider hatte er sich nicht getraut, seine Herrscherin zu dem Thema zu befragen.
Faella ... Die Gedanken an sie
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