Schattenspäher
nötig. Allmählich wurde es lästig.
»Wenn ich irgendwas für Euch tun kann, mein Herr, bin ich jederzeit Euer Mann«, sagte er mit fast bettelnder Stimme. »Lasst es mich einfach wissen.«
Eisenfuß wirkte ein bisschen irritiert, dankte dem Mann aber dennoch für das Angebot.
Wieder zurück im Treppenhaus, bemerkte Silberdun: »Da habt Ihr aber eine feine Gabe, das muss Euch der Neid lassen. Mit so viel Führerschaft wundert es mich, dass Ihr in Eurer Militärzeit kein ganzes Regiment befehligt habt.«
Eisenfuß hielt auf dem Treppenabsatz inne und sah Silberdun stirnrunzelnd an: »Ich besaß sie schon immer, diese Gabe«, sagte er. »Ein bisschen jedenfalls. An meinen besten Tagen hätte ich mit ein bisschen Anstrengung jedoch allenfalls einen guten Freund davon überzeugen können, auf einen Vorschlag einzugehen, von dem er ohnehin angetan war. Doch so was wie heute ist mir noch nie passiert.«
»Was glaubt Ihr ist der Grund dafür?«, fragte Silberdun.
»Kastell Weißenberg«, erwiderte Eisenfuß. »Spürt Ihr es denn nicht auch?«
»Jeden Tag«, sagte Silberdun. »Ich schlafe kaum, fühle mich seltsam, ein bisschen unausgeglichen bisweilen.«
»Ich auch«, sagte Eisenfuß. »Ich dachte, das ist die Anspannung, die ein neuer Job so mit sich bringt, wisst Ihr? Dieses ganze Getrickse von Jedron, und dann gleich weiter zu Paet und seiner Mission, aber ...«
»Ihr denkt, es steckt mehr dahinter?«
»Ich weiß es nicht. Als wir eben in Tye Benesiles Wohnung waren, wurde ich nervös. Ich hatte Angst, wir könnten schon an unserer ersten Aufgabe scheitern. Die Gabe wuchs an in mir wie eine aufsteigende Panik. Habt Ihr es nicht bemerkt?«
»Nein.«
»Ich hab versucht, mir nichts anmerken zu lassen. Und dann ist etwas ... passiert. In meinem Kopf. Es war, als besäße ich weit mehr re -Fassungsvermögen als je zuvor, und es stieg alles in mir auf. Und als es geschah, da stieß ich meine Gabe an, und es war wie ein Dammbruch. Ich schätze, ich bin nun Tye Benesiles uneingeschränktes Objekt der Verehrung.«
»Er ist in Euch verliebt, wenn Ihr mich fragt.«
Silberdun wollte Eisenfuß nach der Nacht in Weißenberg fragen. Nach dem Feuer, der Grube, der Schwärze. Aber etwas in ihm sperrte sich dagegen. Er beschloss, es trotzdem zu tun.
»Eisenfuß«, begann er.
In diesem Moment war von unten ein Krachen zu hören. Dann wurden auf der Treppe Stiefelschritte laut.
»Tyes Frau«, knurrte Silberdun. »Sie muss uns verpfiffen haben.«
»Wir können entweder wieder hoch- oder aber runtergehen«, sagte Eisenfuß. »Was ist Euch lieber?«
Silberdun lauschte. Auf der Treppe waren mindestens vier Paar Stiefel unterwegs. »Wir sollten unter allen Umständen vermeiden, Aufsehen zu erregen«, sagte er. »Wir gehen wieder rauf.«
So schnell wie möglich huschten sie die Stufen wieder nach oben, ließen Tye Benesiles Etage hinter sich und erreichten das vierte Stockwerk. Hier erwartete sie ein enger, niedriger Dachboden, der sich über die ganze Länge des Gebäudes erstreckte. Es war heiß und stickig hier. Es roch nach Staub und Mäusedreck. Der ganze Speicher war vollgestopft mit Trödel, kaputten Möbeln und dergleichen mehr.
Von unten waren Stimmen zu vernehmen, aber Silberdun konnte kein Wort verstehen. Vorausgesetzt, dass die Männer es auf sie abgesehen hatten, müssten sie jetzt eigentlich vor Tyes Wohnungstür stehen. Tye würde mit Sicherheit alles tun, um Eisenfuß zu schützen, andererseits war er angetrunken und nicht der hellste. Ihre Verfolger würden nicht lange brauchen, um herauszufinden, wohin Silberdun und Eisenfuß sich geflüchtet hatten.
»Und jetzt?«, fragte Silberdun. Die Gabe der Führerschaft war ja schön und gut, aber das Führen selbst etwas ganz anderes. Nicht dass Silberdun in seinen besten Tagen nennenswerte Führungsqualitäten besessen hätte. Warum genau hatte man sie noch mal für diese Aufgabe ausgewählt?
»Wir sollten versuchen, das Gebäude ungesehen zu verlassen«, flüsterte Silberdun und schloss hinter ihnen die Tür zum Dachboden.
Am hinteren Ende des Speichers war ein kleines Fenster. Ein schwacher Lichtstrahl fiel hindurch und tropfte auf den Fußboden. »Mal sehen.«
Von unten war ein weiteres Krachen, dann ein Schmerzensschrei zu hören. Tye Benesile?
Vorsichtig durchquerten Silberdun und Eisenfuß den vollgepackten Dachboden. In den offenen Dachsparren schliefen fledermausähnliche Kreaturen. Sie wanden und schlängelten sich, als Silberdun sich an ihnen
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