Schattenspiel
auch alle merken, wenn bei uns plötzlich ein Baby schreit!«
»Ich wußte nicht, daß du...«
»Was? Willst du behaupten, du dachtest, ich freue mich? Lüg mich nicht an! Du konntest nicht sicher sein, sonst hättest du das alles nicht heimlich und hinterlistig machen müssen! Du wolltest mich vor vollendete Tatsachen stellen, und dann glaubtest du, ich würde nichts mehr machen können und würde dich am Ende noch hochbeglückt in die Arme schließen. Aber da hast du dich getäuscht. Ich sage dir, ich will dieses Kind nicht. Auf keinen Fall und um keinen Preis!«
Jetzt liefen Mary die Tränen über die Wangen, gegen die sie die ganze Zeit über so beharrlich gekämpft hatte. »Wie kannst du so etwas sagen? Wie kannst du...«
»Ich kann sagen, was ich will, verstanden? Und ich sage dir jetzt noch etwas: Du gehst natürlich zu einem Arzt. Und läßt dir einen Rat geben, wie du... na ja, verdammt, was du tun kannst, damit dieses Kind nicht zur Welt kommt. Ist das klar?«
Sie starrte ihn an, fast blind vor Tränen und Verzweiflung. »Es ist auch dein Kind, über das du redest, weißt du das eigentlich? Dein Kind, das du zum Tode verurteilen willst!«
Peter konnte seine Wut kaum noch beherrschen. »Was heißt, zum Tode verurteilen? Ich wollte ja nie, daß es lebt! Ich habe ja nicht geahnt, was du tust! In meinen finstersten Träumen wäre ich nicht darauf gekommen, daß du so dumm, so abgrundtief dumm sein kannst! In das kleine Loch willst du noch ein Baby setzen! Kannst du mir verraten, wo wir es unterbringen wollen? Wir treten uns zwar schon selber auf die Füße, aber die gnädige Frau möchte unbedingt, daß hier noch jemand rumläuft, damit es auch richtig ungemütlich wird! Eine hervorragende Idee, wirklich! Besonders jetzt, wo wir von meinem Arbeitslosengeld leben müssen. Aber dir kommt es ja nicht in den Sinn, daß du das vielleicht nicht verantworten kannst. Du gibst jedem noch so idiotischen Einfall nach, der dir gerade durch den Kopf schießt. Aber nicht mit mir. Dieses Kind wird nicht geboren werden.« Er schmetterte seine Bierflasche auf den Tisch, stand auf. »Ach was«, brummte er, »ich geh’ wieder in die Kneipe. Hier wird’s mir zu dumm!«
Die Tür fiel krachend hinter ihm zu. Cathy kam verschüchtert aus ihrem Zimmer. »Mummie, warum weinst du?«
Mary versuchte ihre Tränen zu trocknen. »Schon gut, Cathy. Es ist nichts passiert. Geh in dein Zimmer, ich komme gleich zu dir. Ich muß nur erst schnell telefonieren.«
Ihre Hände zitterten so, daß sie den Hörer kaum halten konnte. Sie mußte dreimal von vorne anfangen zu wählen, weil sie vor Nervosität in die falschen Zahlen griff. Endlich ertönte ein gleichmäßiges Klingeln, schließlich klickte es. »Hier ist der automatische Anrufbeantworter von Natalie Quint...«
Natalie saß im Schminkraum des Fernsehstudios und versuchte sich zu entspannen. Noch dreißig Minuten bis zu ihrer Talk-Show. Zwei Life-Interviews mit prominenten Persönlichkeiten. Die eine – Claudine Combe – war eine junge, bis vor wenigen Wochen noch völlig unbekannte Schauspielerin aus Frankreich, die im Old Vic die Ophelia gespielt und Kritiker wie Publikum zu Beifallsstürmen hingerissen hatte. Seitdem galt sie als die größte Neuentdeckung der englischen Theatergeschichte in den
letzten zwanzig Jahren. Bei dem zweiten Gast handelte es sich um Liza Minelli, die sich zufällig gerade in England aufhielt. Die BBC war ungeheuer stolz, sie für ein Interview gewonnen zu haben.
Die meisten von Natalies Kollegen lasen in der Maske rasch noch einmal in ihrem Konzept oder memorierten die Einführungsworte. Natalie tat das nie. Sie versuchte sich zu entspannen, während ein Make-up-Schwämmchen über ihr Gesicht strich, geschickte Hände sie mit Puder und Rouge bestäubten, während ihre Lippen sorgfältig umrandet und ausgemalt und ihre Wimpern kräftig getuscht wurden. Sie lauschte auf das beruhigende, gleichmäßige Surren des Föhns. Nancy, die Maskenbildnerin, hatte Festiger in ihr Haar gesprüht, zupfte nun die einzelnen Strähnen in Form und nahm den Föhn zu Hilfe, damit sie besser hielten.
»Jetzt müssen Sie wirklich nicht mehr nervös sein, Natalie. Jeder wird Sie bildschön finden.«
Natalie schlug die Augen auf. Mit Hilfe von Make-up, Puder und Rouge sah sie sehr gesund und energiegeladen aus. Sie trug ein elegantes, rostrotes Leinenkostüm mit einer cremefarbenen Seidenbluse darunter, wie immer ein wenig zu streng für ihr Alter, aber sehr passend
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